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Stichwortnachträge J. Grimms zu D
(Krakauer DWB-Handexemplar)
(Grimmforum, 14. März 2006)

Von Jacob Grimm nachgetragene Stichwörter auf der Alphabetstrecke
D – DARMBÄHE, Band 2, Spalte 641 – 780

Die Bereitschaft, Wörter ins Wörterbuch an alphabetischer Stelle aufzunehmen, auch wenn sie im Sprachgebrauch (noch) nicht voll durchgesetzt sind, scheint bei Jacob Grimm größer zu sein als bei seinem Bruder. So bemerkt er zum Artikel DANNEN (Spalte 746): „die verba mit dan und dannen wären aufzuführen wie die mit hin und hinnen. u. die mit dar.“ Wilhelm Grimm hatte insgesamt 24 Verbindungen von dannen mit Verben in den Artikel integriert, einige davon sogar mit zwei bzw. drei Belegen, wie etwa dannen kehren, dannen tun, dannen ziehen. Der Grund für diese abweichende Praxis Wilhelm Grimms mag darin zu sehen sein, daß sich die Verbalverbindungen mit dannen nur bis Ende des 16. Jahrhunderts nachweisen lassen. Ab dem 17. Jahrhundert lebt dannen fast ausschließlich in der Verbindung von dannen weiter.
Jacob Grimm geht auf die unterschiedliche Praxis bei der Behandlung der Präfixbildungen bzw. „Partikelzusammensetzungen“ im Vorwort zu Band 2, Sp. IV f., datiert „6. februar 1860“, noch einmal ein: „ich kann es nicht folgerichtig finden, dasz alle mit durch gebundnen verba, neben sorgfältiger unterscheidung ihrer trennbarkeit und untrennbarkeit, einzeln und alphabetisch eingetragen, die an den partikeln dannen, dahin, daher, danieder, daran, darein haftenden aber unter diesen partikeln verzeichnet und abgehandelt werden. Das heiszt grammatisch verfahren, nicht lexicalisch. im lexicon will man alphabetisch aufschlagen und zur stelle finden, was man sucht.“
Die Aufnahme und Behandlung wenig gebräuchlicher Wörter ist auch für die Nachfolger der Brüder Grimm ein nie befriedigend gelöstes Problem geblieben. In den jüngeren Bänden wurde mit den sogenannten Kompositionstypen eine Darstellungsform entwickelt, die möglichst viele Wörter zu berücksichtigen vermochte, ohne das Wörterbuch allzusehr aufzuschwemmen. An alphabetischer Stelle erscheinen die Wörter, deren schriftsprachliche Gebräuchlichkeit hinreichend nachzuweisen ist.
Wilhelm Grimm hat neben der die Verbindungen mit Verben zusammenfassenden Darstellung bei DANNEN in vielen Artikeln für die Partikelzusammensetzungen eine frühe Form der Kompositionsübersichten genutzt, die eine schnelle Information ermöglicht. Dabei wird das Hauptstichwort mit Kapitälchen gekennzeichnet, die einzelnen Partikelzusammensetzungen werden in normaler Type, abgesetzt und in alphabetischer Folge, wiedergegeben. Jacob Grimms Nachträge sind teils als Kapitälchenansätze, teils in Normalschrift nachgetragen.

Zeichen in der Liste

* Vorhanden ist eine lateinische und / oder deutsche Bedeutungserklärung, oft in der Form einer Synonymenangabe oder eines Synonymenverweises.
# Vorhanden ist ein Textbeleg mit Belegstellenangabe und / oder ein vom Lexikographen selbst formuliertes Textbeispiel, meist ein kurzes Syntagma.
+ Vorhanden ist ein Stellennachweis, z.B. ein Hinweis auf eine Buchung in einem Wörterbuch oder Glossar, und / oder ein Belegstellenangabe ohne Textbeleg.
^ Vorhanden ist ein Querverweis auf ein anderes Stichwort, und zwar nicht nur auf ein von Jacob Grimm bereits bearbeitetes Stichwort, sondern auf (potentielle) Stichwörter mit einem beliebigen Anfangsbuchstaben.

DABENEBST +
DACHBALLE m. #
DACHKLINSE #
DACHLÖSE f. destructio +
DADADADERN #
DADRAUF +
dadrüben +
DÄFTLE, n. +
daheim, n. heimgang, grab +
daher halten #
daher lügen #
daher regnen #
daher schnarchen #
daher schneien #
daher setzen # (von W. G. unter 2, Sp. 680, zitiert)
daher streichen #
daher tagen #
daher traben #
DAHEREIN +
dahin haben *
dahin leben #
dahin rollen
dahin schmitzen +
dahin wagen #
DAIG #
damascenieren +
DÄMEL, m. #
DÄMLICH, was dämisch. # (W. Grimm: DÄMELIG, wie dämisch)
DÄMMERHAFT.
DÄMPFE f. +
danieder reiten #
danieder stauchen #
daran wollen #
dran rücken #
DARAUF HIN #
drauf los nehmen.
drauf los schlagen
drauf los trinken
drein metzen #
drein plumpen
drein tappen +
DARF, s. dürfen. ^
DARHEBEN #

Wilhelm Braun, 14. März 2006

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Krakau: Wörterbuch-Exemplare des Buchstabens D
(Grimmforum, 7. März 2006)

Die bisherigen Beiträge in diesem Forum zu den Grimmschen Handexemplaren des „Deutschen Wörterbuchs“ galten der von Jacob Grimm in der ersten Lieferung bearbeiteten Wortstrecke A bis ALLVEREIN. Hier berichten wir kurz über die von Wilhelm Grimm ausgearbeitete Wortstrecke D bis DARMBÄHE, DWB Bd. II, Sp. 641-780.

Jacob Grimms Exemplar (Libri impr. c. n. mss. 2° 37) zeigt ein ähnliches, aber viel weniger extensiv annotiertes Bild wie bei A. Etwa 10 der 70 gescannten Seiten weisen keine Notizen auf; auf anderen Seiten stehen nur verinzelt Zusätze und Anmerkungen; andere Spalten wiederum enthalten viel mehr Nachträge. Insgesamt wird deutlich, daß er die Arbeit seines Bruders sehr genau gelesen hat. Er fügt auch hier neue Stichwörter hinzu, einige in Versalien, einige dagegen, vor allem Subeinträge bei den Partikelverben mit DAHER und DAHIN etc., in Kleinbuchstaben: darauf geht Wilhelm Braun in einem gesonderten Beitrag näher ein. Die meisten Annotationen sind zusätzliche, aus schriftlichen Quellen zitierte Textbelege und selbverfaßte Textbeispiele. Grimm vervollständigt einige Quellen- und Belegstellenangaben und trägt einige Querverweise ein. Selten kommentiert er die Arbeitspraxis seines Bruders. Ein aufschlußreiches Beispiel hierfür ist DAME auf Sp. 702, wo Jacob Grimm zunächst Wilhelms Angabe, daß es „wahrscheinlich erst in der zweiten hälfte des 17ten jahrhunderts bei uns eingeführt ist“, in Frage stellt und am breiten rechten Rand viele Belege nachträgt, die ein früheres Vorkommen belegen. Es erhebt sich die Frage, ob er eigens dazu eine kleine Untersuchung durchgeführt oder aber mit der für ihn typischen Nachlektüre der Quellen und mit seiner ernormen Kenntnis gearbeitet hat? In der Neubearbeitung des DWB und des historischen „Deutschen Fremdwörterbuchs“ wird das deutsche Lehnwort Dame jetzt übrigens übereinstimmend auf 1592 zurückdatiert.
Bei Wilhelm Grimms Exemplar (Libri impr. c. n. mss. 2° 34) handelt es sich wiederum offensichtlich um Revisionsbogen. Die meisten Korrekturen und Nachträge, seien es Textbelege, seien es Syntagmen als Beispiele, stammen vom Korrektor Rudolf Hildebrand. Es ist auffällig, daß in der Druckfassung Wilhelm Grimm die allermeisten berücksichtigt und übernommen hat. Dies trifft ebenfalls auf die Notizen des Verlegers Salomon Hirzel zu: zu beinahe 20 Stichwörtern trägt Hirzel an den Rändern zusätzliche Textbelege nach, ganz besonders aus Goethe und Schiller, und diese Belege werden in die endgültige Fassung der Buchhandelsausgabe auch aufgenommen. Am unteren Rand von Sp. 706 trägt er beispielsweise zwei Belege aus Goethe zum Stichwort DAMM nach und unterhalb Sp. 742 zwei Goethe-Belege für DANN. Auf Sp. 670 fügt Hirzel einen Textbeleg aus Schiller für das Stichwort DACHUNG hinzu, und in der gleichen Spalte korrigiert Hildebrand u.a. die unalphabetische Anordnung der Stichwörter DACHTRAUFE bis DACHTSTANGE.

In einigen wenigen Fällen lesen sich die Notizen Hirzels wie Briefe an Wilhelm Grimm. So steht z.B. am unteren Rand zwischen Spalten 676 und 677: „der setzer bittet ehrerbietig um etwas brot“ und unterhalb Sp. 714: „MS dankbar erhalten“.
Im Gegensatz zu den vorliegenden Seiten aus A finden sich diesmal auch Notizen von Wilhelm Grimm selbst. Oberhalb Sp. 641 hat er beispielsweise das Empfangsdatum der Korrektur notiert: „31 märz 1855“, und oberhalb Sp. 770: „am 29ten O[ct.?]“. Am linken Rand oberhalb Sp. 777 schreibt er: „Ich bitte mir noch eine Revision zu senden“. Die vier Spalten 777-780 liegen unter den gescannten Seiten in nicht weniger als drei Fassungen vor. In der ersten Fassung finden sich zahlreiche Korrekturen und Nachträge von Wilhelm Grimm selbst. In der zweiten Fassung, wohl der von Wilhelm erbetenen nochmaligen Revision, kommen Notizen von Hildebrand und Hirzel vor, wie sie sonst von Sp. 641 bis 776 verzeichnet sind. Die dritte Fassung entspricht genau der Buchhandelsausgabe und weist keine Notizen mehr auf. (Nebenbei angemerkt: Die anschließenden vier Spalten 781-784 liegen ebenfalls in drei Fassungen vor.) Die Klärung der hier aufgeworfenen Fragen nach den verschiedenen Stadien der Korrektur und Revision muß einer genaueren Untersuchung vorbehalten bleiben.

Insgesamt läßt sich aus den vorliegenden gescannten Ausschnitten aus den Grimmschen Handexemplaren folgendes schließen:
Bei Jacob Grimms Exemplar handelt es sich – wie zu erwarten war – um die Buchhandelsausgabe auf gutem Schreibpapier mit breitem Rand, die der Verleger eigens hergestellt hat, damit die Grimms wohl mit Blick auf eine etwaige zweite Auflage Nachträge und Zusätze hinzufügen könnten. Jacob hat einer solchen zweiten Auflage auch vorgearbeitet, wohl wissend, daß er selbst sie nicht mehr erleben würde.
Bei Wilhelm Grimms Exemplar handelt es sich – wider Erwarten – um Korrektur- und Revisionsbogen, die vor allem Notizen von Rudolf Hildebrand und Salomon Hirzel aufweisen. Sie bieten für eine etwaige zweite Auflage kein neues Material, sind dahingegen für die Entstehung der Erstbearbeitung sehr aufschlußreich. Sie werfen zugleich die Frage auf: wo befindet sich das Exemplar Wilhelms auf gutem Schreibpapier mit breitem Rand? Der erste Band wird jetzt im Museum Haldensleben aufbewahrt, aber der Standort des zweiten Bands ist noch unbekannt.
Ob überhaupt, und wenn ja, inwieweit sich diese vorläufigen Ergebnisse bestätigen werden, wird sich erst bei der Autopsie der übrigen jetzt in der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau wieder zugänglichen Handexemplare ergeben.

(Bilder: ehemalige Preußische Staatsbibliothek, z. Z. in der Biblioteka Jagiellonska Kraków, Libri impr. c. n. mss. 2° 37, Sp. 702, und 2° 34, Sp. 670)
Alan Kirkness

Alan Kirkness, 7. März 2006

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Krakau: Wörterbuch-Exemplar Jacob Grimms
Neue Stichwörter
(Grimmforum, 15. Februar 2006)

Jacob Grimm: Neue Stichwörter AALKISTE bis ALLVERBREITUNG

Die nachfolgende Liste umfaßt Stichwörter, die Jacob Grimm nachträglich in sein Handexemplar der ersten Lieferung des „Deutschen Wörterbuchs“, Bd. I, Sp. 1—240 (A bis ALLVEREIN, Jagiellonen-Bibliothek Krakau, Libri impr. c. n. mss. 2° 35) eintrug. Häufig besteht der neu angelegte Wörterbuchartikel, wie in der gedruckten Buchhandelsausgabe, aus dem Stichwort und unterschiedlichen weiteren Komponenten, die hier durch Zeichen zumindest angedeutet werden sollen. Nicht eindeutige Fälle werden durch runde Klammern ( ) angezeigt; unterschiedliche Kombinationen von Zeichen bzw. Komponenten sind möglich. Diese etwa 330 neu angesetzten Wörter machen einen besonders charakteristischen Anteil der Nachträge aus, die Jacob Grimm vorgenommen hat; mengenmäßig überwiegen aber bei weitem die zusätzlichen Belege und Hinweise zu bereits vorhandenen Artikeln.
Wilhelm Braun in Berlin, ein großer Kenner des Grimmschen Wörterbuchs, an dem er mehrere Jahrzehnte mitgearbeitet hat (sowohl am Abschluß der ersten Ausgabe als auch an der Neubearbeitung seit den 60er Jahren), legte folgende erste Beobachtungen zu der Liste vor. Er hat auch selbst einen sorgsamen Vergleich der Liste mit den Kopien der Originale vorgenommen und Korrekturen / Ergänzungen beigetragen.

Zu den Nachträgen Jacob Grimms in seinem Handexemplar Band I des DWB, Spalte 1—240 (= A—ALLVEREIN)
Auf dieser Alphabetstrecke mit 2.805 Stichwörtern trägt Jacob Grimm — offenbar als Vorbereitung einer zweiten verbesserten Auflage — insgesamt etwa 330 weitere Wörter nach (darunter auch einige bloße Verweise, oder auch Wörter, deren Gestalt noch nicht festgelegt ist). In der Regel sind diese Nachträge mit je einem Beleg bzw. mit einem Hinweis auf eine Fundstelle versehen; mehrfach findet sich ein Verweis auf ein Vorgängerwörterbuch wie etwa STIELER (1691).
Von diesen nachgetragenen Stichwörtern wurden in der Neubearbeitung des „Deutschen Wörterbuchs“ (2DWB) 130 zumeist mit eigenem Artikel berücksichtigt, die übrigen 200 Wörter sind auch im 2DWB-Archiv nicht ausreichend belegt und aus unterschiedlichen Gründen zurecht nicht aufgenommen worden. Es handelt sich dabei um
1. (Mehrfach)zusammensetzungen wie: ABDANKPLATZ, ABENDSFUNKE, ABENDGOLDGEWÖLK, ABENDLISPEL, ACKERPOSTLAUF, AFFENBOSSIERLICHKEIT
2. ung-Ableitungen: ABMERGELUNG, ABPRÜGELUNG
3. Mundartausdrücke: ABFERGETE, ABGAGELN, ABGOSCHEN, ABSCHARBEN
4. engfachsprachliche Ausdrücke: AALKISTE, ABERKALB
5. Diminutiva: ABSCHIEDSLIEDCHEN.
In der Vorrede zu Band I, Sp. XXV f. spricht Jacob Grimm von der „sucht der vervielfältigung und übertreibung aller ableitungs- und zusammensetzungstriebe der deutschen sprache“, der auch CAMPE erlegen sei. Es ist daher zunächst davon auszugehen, daß seine zahlreichen Nachträge, denen „die rechte beglaubigung abgeht“, noch nicht in jedem Fall für eine Neuauflage des DWB endgültig vorgesehen waren. W. Braun

Zeichen in der Liste

* Vorhanden ist eine lateinische und / oder deutsche Bedeutungserklärung, oft in der Form einer Synonymenangabe oder eines Synonymenverweises.
# Vorhanden ist ein Textbeleg mit Belegstellenangabe und / oder ein vom Lexikographen selbst formuliertes Textbeispiel, meist ein kurzes Syntagma.
+ Vorhanden ist ein Stellennachweis, z.B. ein Hinweis auf eine Buchung in einem Wörterbuch oder Glossar, und / oder ein Belegstellenangabe ohne Textbeleg.
^ Vorhanden ist ein Querverweis auf ein anderes Stichwort, und zwar nicht nur auf ein von Jacob Grimm bereits bearbeitetes Stichwort, sondern auf (potentielle) Stichwörter mit einem beliebigen Anfangsbuchstaben.

Stichwortliste

[alltageshut, m. +]
[alltagspfif, +] (diese beiden ersten unter anderen Stichwörtern eingetragen, nicht durch Kapitälchen als Stichwörter ausgewiesen?)
AALKISTE, f. *
AALWEHRE, +
ABAB, #
ABBALBIEREN, #
ABBEDEUTEN, * #
ABBEILEN, *
ABBEITEN, * +
ABBEKÜMMERN, #
ABBERSTEN, #
ABBESTATTEN, +
ABBICKELN, #
ABBILLIGEN (?), #
ABBLATTERN, *
ABBLÜMEN, +
ABBLUTEN, *
ABBRECHER, m. #
ABBRICH, *
ABBRÜCHLICH, +
ABBUDEN, *
ABBÜFFEN, *
ABBUHLEN, * #
ABCONTRAFEHUNG, f. +
ABDANK, #
ABDANKPLATZ, m. +
ABDRUMEN, #
ABE, #
ABEBBEN, #
ABENDBROCKE, m. #
ABENDDÄMMER, +
ABENDGOLDGEWÖLK, n. #
ABENDHELL, #
ABENDKÜRZUNG, f. +
ABENDLISPEL, m. +
ABENDRAST, #
ABENDSCHREIER, m. (*)
ABENDSFUNKE, m #
ABENDVESPER, f. +
ABENDZEHRUNG, f. #
ABENTEUERTÜCHER, * +
ABERBETEN, #
ABERBULEN, #
ABERDROHEN, * #
ABEREINS, * +
ABERFLEHN, #
ABERGESANG, m. +
ABERKALB, n. *
ABERLÜGEN, #
ABERMANEN, + (lies ABERMAHNEN)
ABERNÖTHEN, * #
ABERRATEN, * +
ABERSCHINDEN, +
ABERSCHWÄTZEN, +
ABERST, * +
ABERTRAGEN, * +
ABERTRIEGEN, +
ABERWARTEN, #
ABFÄLLIGKEIT, f. +
ABFEIM, m. * +
ABFERGETE, f. * +
ABFICKEN, *
ABFICKFACKEN, * #
ABFILLEN, #
ABFIRMEN, * #
ABFISELN, * #
ABFITZELN, #
ABFLACHSEN, #
ABFLEIEN, * +
ABFLIEHEN, * +
ABFLÜCHTIG, +
ABFRISCHEN, * #
ABGAGELN, #
ABGEBÄNDE, #
ABGEBRANNT, ^
ABGEFEIMT, ^
ABGEFÜHRT, ^
ABGEGRIFFENHEIT, (*)
ABGEILEN, * +
ABGELTUNG, f. #
ABGERITTEN, #
ABGESCHLAGENHEIT, f. * +
ABGESCHÖPF, n. #
ABGESCHR[IFT] (? nicht eindeutig zu lesen, weil im Bug), +
ABGEWOGENHEIT, * +
ABGLUMSEN, * +
ABGOSCHEN, *
ABGRUNDSUNGEHEUER, n. #
ABHARREN, * #
ABHÄSZIG, * #
ABHAUSEN, * +
ABHELGEN, * #
ABHELL ?, * #
ABHELLEN, * #
ABHELLIG, *
ABHINDERN, #
ABKAMPELN, #
ABKAUEN, #
ABKAUZEN, * + ^
ABKERBEN, #
ABKIFFELN, (*) +
ABKIRREN, ABKITTERN, * #
ABKLUCKEN, * #
ABKRAUEN, #
ABKRIECHEN, +
ABKÜLLERN, #
ABLÄHMEN, * +
ABLAPPEN, #
ABLÄSSIG, # ^
ABLASSUNG, f. * #
ABLÄSZ, #
ABLEGEKAMMER, f. *
ABLEIB, m. * +
ABLESUNG, f. * +
ABLEUCHTEN, # +
ABLIEBEN #
ABLÖFFELN, #
ABLÖSCHIG, +
ABMÄKELN, *
ABMAUSEN, * +
ABMERGELUNG, f. * +
ABMORDEN, #
ABMUCKEN, *
ABMÜRPFEN, * +
ABMURZEN, *
ABMUSELN ?, +
ABNÖTEN, #
ABÖSEN, #
ABPFETZER, m. * +
ABPFITSCHEN, ^ + (#) (Belege für pfitschen, nicht abpfitschen, daher ( ))
ABPLUMPEN, * +
ABPRACTICIEREN, * #
ABPRÜGELUNG, +
ABRAMMELN, sich +
ABRAUSCHEN, #
ABRED, adj. * #
ABRÖSTEN, * +
ABRUPFER, m. * +
ABSAGUNG, f. #
ABSAMMELN, *
ABSÄUBERUNG, f. +
ABSCHALTEN, #
ABSCHÄNDEN, # ^
ABSCHARBEN, * # ^
ABSCHATZ, m. *
ABSCHEIBELN, #
ABSCHEISZEN, +
ABSCHEUBILD, n. +
ABSCHEUUNG, f. +
ABSCHIEDLÄCHELN, n. #
ABSCHIEDSLIED, n. #
ABSCHIEDSLIEDCHEN, n. #
ABSCHLAFEN, #
ABSCHLEUFEN, * +
ABSCHLINGEN, * #
ABSCHLITZEN, *
ABSCHMAROTZEN, +
ABSCHNAUZEN, +
ABSCHNEID, ^
ABSCHNEIDLICH, #
ABSCHRÄGUNG, #
ABSCHÜSSELN, +
ABSCHWEINEN, +
ABSCHWENZEN, +
ABSCHWINDELN, *
ABSETZFERKEL
ABSETZLING, *
ABSICHTREIN, #
ABSINNEN, +
ABSOLUTZ, f. # +
ABSPELTEN, * +
ABSPRACHE, f. * #
ABSPRÜTZEN, * +
ABSTALT, f. * #
ABSTEUEN, #
ABSTOCK[EN ?], # +
ABSTRAUFEN, ^ +
ABSTRIEFELN, +
ABSTÜPPELN, * #
ABTANZ, m. #
ABTGEMÄSZ, #
ABTHEILIG, * #
ABTIEFEN, #
ABTILGER, m. #
ABTRAMEN, * +
ABTRAPPEN, # +
ABTRAUER, f. *
ABTREIBLING, m. # +
ABTRETER, m. * #
ABTRITTEL, n. #
ABTRITTSHAUS, n. * +
ABTRÖCKELN, +
ABTROLLERN, * #
ABTRÜBEN, #
ABTRUNKEN, +
ABTSMÜTZE, * +
ABURKUNDEN, +
ABVERSTELEN, #
ABVERSTERBEN, * #
ABVEXIEREN, #
ABWALMEN, # ^
ABWANK, m. +
ABWEDELN, #
ABWEIBEN, ^
ABWEISSTEIN, m. #
ABWERT[HUNG ?], * +
ABWINSELN, #
ABWIRTSCHAFTEN, #
ABWÖLBEN, #
ABWÜNSCHEN, #
ABZAPP[ELN], #
ABZÄRTELN, *
ABZÄRTELUNG, f. #
ABZAUBERN, # +
ABZEISEN, +
ABZEUGEN, #
ABZINS, m. +
ABZUCKEN, +
ABZÜGELN, #
ABZWÄNGEN, #
ACCURAT, +
ACHSELKLAPPE
ACHSELZWICKEL
ACHSENSTELLER, n. pr. +
ACHTEST, ^
ACHTHABUNG, f. * +
ACHTSNIT, m. #
ACKE, ^
ACKERBUB, m. +
ACKERBURSCH, * +
ACKERGANG, m. #
ACKERMAUS, f. * +
ACKERN, ^
ACKERPOSTLAUF, m. #
ACKERSAME, m. +
ACKERSCHATZ, m. +
ACKERSITZ, m. #
ACKERWERKEN, #
ACKERZEILE, f. * +
ADAMAST, m. * +
ADAMSFLECK, m. #
ADAMSRIPPE, f. * #
ADELHEU, n. #
ADELKEIT, f. +
ADELSBURSCH, ^
ADELSOHN, m. *
ADELSPAR, m. *
ADELWEIB, n. * +
ADENLICH, #
ADERHOLZ, n. *
ADERLASZBINDE, f. #
ADERZOGE ?, #
ADLERGEDANKE, #
ADUCHE, f. * +
ÂFAR, * #
AFFENBERNE, * +
AFFENBOSSIERLICHKEIT, +
AFFENBOSZLER, ^
AFFENGEPRÄNG, n. +
AFFENGEZAU, n. (*) +
AFFENSCHA[NDE ?]
AFFENSCHMA[LZ ?], #
AFFENSPRUNG, m. #
AFFENTHAL, n. +
AFFENTHALER, m. #
AFFENTHIER, n. * #
AFFENWAGEN, m. #
AFTERASZ, + (*)
AFTERAUS, adv. * +
AFTERBELL, f. * +
AFTERBERGEN, * +
AFTERGEDING, +
AFTERHASZ, m. +
AFTERKALB, n. *
AFTERKLAFFEN, * +
AFTERKLAPPE, f. (*)
AFTERKOSE, f. #
AFTERKRANZ, m. #
AFTERLIST, f. +
AFTERMONTAGS, +
AFTERREDERISCH, #
AFTERTEIDING, f. +
AFTERTHEIL, * +
AFTERWAGEN, m. #
AFTERZORN, +
AHEDUCHT, ADUCHT, f. ^
AHNENSTAMM, m. #
AHNIG, #
ALAMODIST, +
ALANTSBIRN, +
ALASTER, ^
ALBERSTOLZ, m. #
ALBERTÄTIG, * +
ALBRECHT, * #
ALCHEN, * #
ALENBOCK, * +
ALFÄNZELN, #
ALLAN, (*) #
ALLAS, ^
ALLBEFRUCHTEND, #
ALLBLENDEND, +
ALLDERO, +
ALLEBENS, adv. + ^
ALLEGAR, *
ALLEHAND, * +
ALLEINMACHT, f. +
ALLELAUT, * + #
ALLENGAHENS, +
ALLENHAND, adv. +
ALLENSAND, # ^
ALLERA[?], *
ALLERHAND, adv. * #
ALLERKRAUSEST, #
ALLERLEUTSBRAUT, f. *
ALLERSACH, adv. * #
ALLERSCHLACHTER, m. (*) +
ALLERUNAUSSTEHLICHST
ALLERWERTHEST, * ^
ALLESAN, ^ #
ALLFÄLLIG, #
ALLGEHORSAM, +
Allhand, * # (so eingetragen auf Sp. 236, aber ohne Kapitälchen)
ALLHEUT, adv. +
ALLKRAFT, f. #
ALLMANNSMUTTEL, *
ALLMITALL, +
ALLMITT, #
ALLMITTELST, adv. *
ALLREIT, adv. * +
ALLSDINGS, adv. #
ALLSONST, *
ALLSONSTEN, #
ALLTAG, adv. +
ALLTAGSWEISE, +
ALLVERBREITUNG, f. +

Alan Kirkness

Alan Kirkness, 15. Februar 2006

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Krakau: Wörterbuch-Exemplar Jacob Grimms
(Grimmforum, 15. Februar 2006)

Zu Probescans aus Jacob Grimms Handexemplar des „Deutschen Wörterbuchs“ (wie im Fall des anderen, vor zwei Tagen vorgestellten zweiten Exemplars handelt es sich um die erste Lieferung von 1852, A bis ALLVEREIN) folgt hier eine erste Auswertung von Alan Kirkness, die dieser übersandt hat und die wir mit Bildern von zwei Spalten illustrieren. Im Unterschied zu dem anderen Exemplar handelt es sich hier beim Drucktext um die im Buchhandel erschienene Endfassung, zu der Jacob Grimm nachträgliche Zusätze notierte. Die insgesamt sieben Bände von Jacob Grimms Exemplar haben die Signaturen Libri impr. c. n. mss. 2° 35—41.

Jacob Grimms Handexemplar der ersten, von ihm bearbeiteten Lieferung des „Deutschen Wörterbuchs“ (Spalten 1—240, Stichwörter A bis ALLVEREIN) weist auf jeder Seite Zusätze und Nachträge auf. Auf mancher Seite ist nicht nur der eigens dafür vorgesehene breite Rand voller Notizen, sondern ebenfalls auch die anderen Ränder, und häufig finden sich weitere Notizen zwischen den Zeilen des gedruckten Textes. Alle Notizen stammen ausnahmslos von Jacob Grimm. Es handelt sich in erster Linie um zusätzliche Textbelege mit Belegstellenangaben, z. B. aus Hans Sachs, und um von ihm selbst verfaßte kurze Beispieltexte. Hinzu kommen nachgetragene Angaben zur Bedeutung und zur Bedeutungsentwicklung und / oder zur grammatischen Verwendung bestimmter Stichwörter sowie Querverweise auf bereits bearbeitete und noch zu erarbeitende Stichwörter. Darüber hinaus nimmt Jacob Grimm ca. 330 ganz neue, durch Versalien kenntlich gemachte Stichwörter auf, die unten aufgelistet und kurz kommentiert werden (die Liste dieser Stichwörter wird ebenfalls hier im Grimmforum zugänglich gemacht).

Zur Illustration wird hier zunächst Spalte 45 (ABGEBUNG und ABGEHEN) abgebildet und kurz kommentiert. Oben werden zwei neue Stichwörter in Versalien nachgetragen, ABGEFEIMT und ABGEFÜHRT, beide nur mit einem Verweis versehen.
Am schmalen Bugrand werden zahlreiche Belege mit Belegstellenangaben zum Stichwort ABGEHEN hinzugefügt. Auf der oberen Hälfte der Spalte werden einige weitere Belege und zwei Textbeispiele zwischen den Zeilen des gedruckten Textes nachgetragen. Am unteren Rand, unterhalb der beiden Spalten 45 und 46, finden sich noch zahlreiche Textbeispiele ohne und Textbelege mit Belegstellenangaben. Die Belege sind sowohl Wörterbüchern als auch literarischen Quellen entnommen, wobei die meisten aus frühneuhochdeutscher Zeit stammen, z. B. Keisersberg und Hans Sachs. Die genaue An- und Zuordnung der Beispiele und Belege bleibt völlig unklar, denn nirgends gibt Jacob Grimm an, wo sie in den Text zu integrieren wären.

Sodann wird Spalte 175 (ACKERRAIN—ADAM) abgebildet. Am breiten Rand links der Spalte werden sechs neue Stichwörter nachgetragen, am Rand unten noch ein weiteres. Die substantivischen Stichwörter werden durch die Angabe m. oder f. grammatisch bestimmt; ggf. durch ein lateinisches (ACKERZEILE) oder ein deutsches (ADAMAST) Interpretament semantisch erklärt; und entweder mit einem Beleg oder einem Stellennachweis versehen. Unklar ist, ob das ebenfalls am linken Rand nachgetragene ackerschwein als Stichwort gilt oder nicht. Zwischen den Zeilen des Textes wird nur einmal ein Stellenhinweis hinzugefügt (s. ACKERSCHNALLE). Zum Stichwort ADAM werden zahlreiche Belege nachgetragen, deren Zuordnung wiederum unklar bleibt.

(Bilder: ehemalige Preußische Staatsbibliothek, z. Z. in der Biblioteka Jagiellonska Kraków, Libri impr. c. n. mss. 2° 35, Sp. 45 und 175)

Berthold Friemel, 15. Februar 2006

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Krakau: Wörterbuch-Exemplar „Wilhelm Grimms“
(Grimmforum, 13. Februar 2006)

Alan Kirkness schickte folgende Resultate einer ersten Durchsicht der Probescans zu dem Handexemplar des Grimmschen Wörterbuchs in Krakau, das als das „Wilhelm Grimms“ gilt (Libri impr. c. n. mss. 2° 33 f.). Überraschendes Hauptresultat der ersten Analysen ist, daß Wilhelm Grimms Handschrift auf diesen 120 Seiten gar nicht erscheint, daß die bisherige Zuordnung also gründlich überdacht werden muß.

Außerdem bestätigt sich, daß der gedruckte Text hier im Exemplar „Wilhelm Grimms“ meist nicht der endgültige ist. Es handelt sich überwiegend um Druckfahnen.
Und nun hat Alan Kirkness das Wort:

Wilhelm Grimms Handexemplar der ersten Lieferung des „Deutschen Wörterbuchs“ (Sp. 1—240, Stichwörter A bis ALLVEREIN) besteht hauptsächlich aus Druckfahnen und weist Notizen von vier verschiedenen Autoren auf:
1. Jacob Grimm — nur vereinzelt;
2. Karl Reimer, Spiritus rector und bis Ende 1852 Mitverleger des Wörterbuchs — ebenfalls nur vereinzelt;
3. Salomon Hirzel, bis Ende 1852 Mitverleger und ab 1853 alleiniger Verleger des Wörterbuchs — Notizen auf etwa 10 Seiten;
4. Rudolf Hildebrand, Korrektor des Wörterbuchs und später Nachfolger der Brüder Grimm als Bearbeiter — viele Notizen auf ca. 100 Seiten.
Die Zuordnung der Notizen ist nicht immer eindeutig, außer jedem Zweifel steht jedoch, daß keine einzige von Wilhelm Grimm stammt. Korrekturen von Satz- und Druckfehlern sind rar. Bei den meisten Annotationen handelt es sich um zusätzliche Textbelege und -beispiele zu vorhandenen Stichwörtern; weniger häufig finden sich Angaben zur regionalen oder zeitlichen Verbreitung bestimmter Wortformen und -verwendungen; und vereinzelt werden neue Stichwörter nachgetragen. Jacob Grimm reagiert unterschiedlich auf die Korrekturen und Nachträge: in vielen Fällen nimmt er sie, meist in abgewandelter Formulierung, in die endgültige Druckfassung auf; in anderen Fällen dagegen berücksichtigt er sie nicht.

Zur Illustration werden hier Sp. 221—222 abgebildet, wo nacheinander Hildebrand, Reimer und Hirzel Nachträge zum Stichwort ALLERDINGS liefern.
Am breiten Rand rechts weist Hildebrand in deutscher Schrift auf unterschiedliche, von Jacob Grimm nicht erwähnte Verwendungen von ALLERDINGS hin und fügt in lateinischer Schrift zwei kurze, selbst verfaßte Textbeispiele für eine konzessive Verwendung des Stichworts hinzu.

Dann trägt Reimer zwei Belege aus Lessing und Dahlmann mit genauen Belegstellenangaben nach.
Am rechten Rand unten gibt Hirzel zwei Textbelege aus Schleiermacher und Goethe an, und am unteren Rand trägt er noch drei weitere Belege nach, einen in der Mitte aus Schlegel und zwei unterhalb von Sp. 221 aus Jacob Grimms Schrift „Über seine Entlassung“.

a.

b.

(alle Bilder bisher: ehemalige Preußische Staatsbibliothek, z. Z. in der Biblioteka Jagiellonska Kraków, Libri impr. c. n. mss. 2° 33, Sp. 221 f.)

Bei seiner Revision nimmt Jacob Grimm in die Druckfassung die Angabe „Oft concessiv“ auf und belegt diese Verwendung mit drei, allerdings stark gekürzten Hirzel-Belegen aus Schleiermacher, Goethe und Schlegel.

(Quelle: Online-DWB, http://www.dwb.uni-trier.de)

Berthold Friemel, 13. Februar 2006

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Grimm-Handexemplare des „Deutschen Wörterbuchs“
(Grimmforum, Januar 2006)

Grimm-Handexemplare des “Deutschen Wörterbuchs” in Krakau

Zum Start des Grimmforums nutze ich diese neue Informationsmöglichkeit, um eine kaum noch erwartete, aber für die Grimmforschung hochbedeutende Entdeckung näher bekanntzumachen: daß nämlich die lange kriegsbedingt als verschollen geltenden Handexemplare des “Deutschen Wörterbuchs von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm” aufgefunden worden sind. Dieser Fund dürfte für alle Grimmforscher(innen), insbesondere natürlich diejenigen, die sich für Jacob und Wilhelm Grimm als Lexikographen und für das “Deutsche Wörterbuch” interessieren, von großer Bedeutung sein. Für mich persönlich beispielsweise ging damit eine mehr als 30jährige Suche glücklich zu Ende, und ich weiß, daß ich keineswegs allein auf der Suche war. Der letzte Versuch, die Exemplare zu finden, knüpfte 2005 an die mehrjährigen Forschungsreisen und Rundfragen Werner Schochows an. Auch er ging in seiner 2003 erschienenen Bilanz zum Verbleib ausgelagerter Bestände der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek Berlin (Bücherschicksale. Die Verlagerungsgeschichte der Preußischen Staatsbibliothek, dargestellt aus den Quellen. Berlin 2003) noch davon aus, daß die Grimmschen Handexemplare des Wörterbuchs verschollen seien. Seine Darstellung und der persönliche Kontakt zwischen ihm und der Berliner Arbeitsstelle Grimm-Briefwechsel wurden jedoch zum Anlaß, an den in Betracht kommenden Orten erneut konkret nachzufragen.
Im späten September 2005 teilte eine Mitarbeiterin der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau überraschend mit, daß die Handexemplare nach Restaurierung der Forschung in der Handschriftenabteilung der Bibliothek wieder zugänglich gemacht würden. Später übermittelte uns die Bibliothek eine genauere Beschreibung der Exemplare und freundlicherweise auch zwei Beispielbilder. Außerdem informierte sie verschiedene interessierte Institutionen in Deutschland, u. a. die Staatsbibliothek zu Berlin — Preußischer Kulturbesitz und das Brüder Grimm-Museum Kassel, offiziell über den Fund. Somit scheint die Zeit gekommen, von den Exemplaren auch hier im Grimmforum zu berichten.
Von Wilhelm und vor allem Jacob Grimm ist bekannt, daß sie ihre Handexemplare des Wörterbuchs als Arbeitsexemplare ständig benutzt und mit zahlreichen Nachträgen und Zusätzen annotiert haben. Von diesen Annotationen darf man sich vielfachen Aufschluß über ihre Lexikographie versprechen. Die insgesamt neun Bände können gewissermaßen als eine von den Brüdern Grimm selbst vorbereitete zweite Auflage ihres Anteils am “Deutschen Wörterbuch” angesehen werden.
Meine Anfragen bei verschiedenen polnischen Institutionen zum Verbleib der Handexemplare waren Teil einer Neusichtung der Archivüberlieferung zum Grimmschen Wörterbuch im Zusammenhang mit der Edition der Briefwechsel Jacob und Wilhelm Grimms mit ihren Wörterbuch-Verlegern Salomon Hirzel und Karl Reimer. Unter anderem wurden bei dieser Gelegenheit noch ein bisher unbekanntes detailliertes Arbeitsprotokoll Jacob Grimms zum Wörterbuch und ein weiteres, bisher auch unbekanntes Exemplar des Wörterbuchs aus seinem Besitz aufgefunden. Die Krakauer Nachricht war krönender Abschluß der Recherchen des Sommers 2005, denn sie traf wenige Tage nach Herbstanfang und am vorletzten Tag meines Berliner Aufenthalts ein. (Die Alexander von Humboldt-Stiftung ermöglichte mir diese Arbeiten 2005 mit einem mehrmonatigem Stipendium, für das ich auch an dieser Stelle herzlich danke.)
Anläßlich des 220. Geburtstages von Wilhelm Grimm am 24. Februar 2006 wird im Grimmnetz ausführlich über die Handexemplare des Wörterbuchs und andere neuentdeckte Materialien zur Wörterbucharbeit der Brüder Grimm berichtet. Erste Details aus den Bildern der Krakauer Exemplare wird Berthold Friemel in den nächsten Tagen hier im Forum einfügen. Ein ausführlicher Forschungsbericht zu den neuen Funden erscheint im Band 16 des „Brüder Grimm Gedenken” und geht dieser Tage in den Druck.
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Alan Kirkness


Alan Kirkness, 16. Januar 2006
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Bilder der Krakauer DWB-Handexemplare
Wie von Alan Kirkness in seiner Nachricht angekündigt, trage ich zu seiner einführenden Beschreibung Bilder nach. Es lagen zunächst zwei Bilder aus zwei der in Krakau aufgefundenen Bände vor.

Die insgesamt neun Bände erhielt die damalige Königliche Bibliothek in Berlin 1898 vom Sohn Wilhelm Grimms, Herman, mit der Information, die beiden stärkeren Bände seien das Handexemplar Wilhelm Grimms, die sieben dünneren das Handexemplar Jacob Grimms. Die Gliederung in Wilhelm Grimms Exemplar ist laut alten Katalogen der Berliner Staatsbibliothek A bis C = Band I, D bis E = Band II. Jacob Grimms Exemplar reicht ebenfalls laut alten Katalogangaben von A bis FROMM, es fehlen hiernach also nur einige wenige letzte Artikel, die er noch verfaßt hat.

Die zwei farbigen Bilder, die uns die Krakauer Bibliothek zunächst zur Verfügung stellte, stammen jeweils aus den ersten Bänden der beiden Exemplare, mit den alten Berliner Signaturen „Libri impressi cum notis manuscriptis 2° 33“ im Fall Wilhelms, dasselbe „2° 35“ im Fall Jacobs.
Bei Jacob Grimm, 2° 35, handelt es sich um die Wortstrecke ANNEHMEN bis ANNOCH, bei Wilhelm, 2° 33, um AUFSPRENGEN bis AUFSTEHEN. Hier zunächst der aufgeschlagene Band Jacob Grimms in Gesamtansicht:

Die breiten Ränder sind ausgiebig für Notizen benutzt; solche finden sich aber auch an anderen Stellen, wie zum Beispiel an den inneren Rändern, wo sie so weit hineinreichen, daß sie kaum zu lesen sind. Vermutlich wurden diese Notizen angebracht, ehe die Exemplare so gebunden wurden. Wann dies geschah, bleibt noch zu prüfen.
Auf beiden Beispielphotos sind Nachträge zum gedruckten Text zu erkennen, beispielsweise auf dem Bild aus Jacob Grimms Exemplar zur veralteten Bedeutung ‚absichtlich‘ des Wortes ANGENOMMEN:

Das andere Exemplar, das Wilhelm Grimm zugeschrieben wird, zeigte bereits auf dem ersten uns zugegangenen Bild Überraschendes. Dieser Eindruck verstärkte sich durch die am 19. Januar eingetroffenen weiteren Probescans, weshalb ich diesen Text am 21. Januar ändere und die auf die Besonderheiten bezogenen Aussagen verstärke und korrigiere. In der nächsten Zeit werden wir hier im Grimmnetz und im Grimmforum weiter darauf eingehen.
Zunächst einmal überrascht es, daß die laut bisheriger Überlieferung von Wilhelm Grimm stammenden Notizen teilweise in deutscher Schrift geschrieben sind (nämlich diejenigen Anteile, die im Wörterbuch kursiv zu drucken wären). Wilhelm Grimm verwendete in dieser Zeit im allgemeinen nur die lateinische Schrift, aber die Verwendung der deutschen zur eindeutigen Markierung des kursiv zu setzenden Textes wäre immerhin denkbar; auch sind die auf dem ersten farbigen Probebild enthaltenen Textstücke dieses Schreibers ähnlich genug zu Wilhelm Grimms Handschrift, um die überlieferte Zuschreibung erst einmal beizubehalten.
Zweitens überrascht es in diesem Wilhelm Grimm zugeschriebenen Exemplar, bei den Nachträgen zu AUFSTECKEN eine weitere zusätzliche Handschrift, nämlich, wie Alan Kirkness gleich herausfand, die des Verlegers Salomon Hirzel, zu bemerken:

Am interessantesten an dieser Stelle ist aber, daß die hier angebrachten Notizen im DWB I, Sp. 746 f., sinngemäß verwertet wurden (also durch Jacob Grimm anders organisiert und formuliert). Die Bedeutung ‚aufstecken, einhalten, feierabend machen‘ hat Jacob Grimm noch als Punkt 5 eingeschoben; vorher schloß ’nichts aufstecken, nichts erreichen‘ als Punkt 5 den Artikel ab, in der Endfassung wurde letzteres Punkt 6. Für die zwei Seiten aus diesem Exemplar, die auf dem ersten aus Krakau angekommenen Bild zu sehen sind, ergibt sich daraus, daß sie aus einer Revision der Druckbögen vom Arbeitsanteil Jacob Grimms stammen. Der Drucktext ist also hier noch nicht der endgültige.
Man sieht auf dem ersten Bild aus diesem Band,
– daß die zwei Seiten aus dem Arbeitsprozeß am noch nicht abgeschlossenen ersten DWB-Band stammen;
– daß jemand den Text genau durchgearbeitet und Nachträge vorgenommen hat – sofern dies in der Tat Wilhelm Grimm gewesen wäre, dem das Exemplar zugeschrieben wird, würde sich eine sonst biographisch nicht belegte intensive Mitarbeit Wilhelm Grimms bereits am Band I des Wörterbuchs herausstellen (als Autor von Wortartikeln wurde er eigentlich nur beim Buchstaben D aktiv);
– daß mehrere Personen in diesem Exemplar Notizen angebracht haben, außer dem Hauptschreiber auf jeden Fall Jacob Grimm und Hirzel,
daß also – zusammenfassend gesagt – das Wilhelm Grimm zugeordnete Krakauer Exemplar sowohl mit dem darin enthaltenen Drucktext als auch bei den handschriftlichen Anmerkungen Befunde bietet, die nach den vorab verfügbaren Informationen (aus alten Katalogen der Staatsbibliothek und aus Akten) nicht so zu erwarten waren.

Die Arbeitsabläufe, denen die in den Krakauer Exemplaren überlieferten Notizen zuzuordnen sind, werden sich erst nach genauer Sichtung aller in Betracht kommenden Dokumente endgültig darstellen lassen. Daß dies aber nun überhaupt möglich wird, ist dem herrlichen Krakauer Fund zu danken; und daß wir hier schon darüber berichten können, dafür gebührt unser großer Dank der Jagiellonen-Bibliothek, die zur Vorab-Übersendung der zwei Probebilder bereit war.

Berthold Friemel, 17. Januar 2006
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Weitere Digitalisierung / Mitteilung Jagiellonen-Bibliothek
Aus Krakau traf mittlerweile eine Partie digitalisierter Seiten ein. Es handelt sich um den Alphabetabschnitt A bis ALLVEREIN, was der ersten, zur Leipziger Frühjahrsmesse 1852 erschienenen DWB-Lieferung entspricht, jeweils aus dem Exemplar Wilhelm und Jacob Grimms. Resultate aus diesen weiteren Ablichtungen teilen wir in nächster Zeit hier mit. Die Jagiellonen-Bibliothek übermittelte ferner folgenden Zusatz zur am 16. / 17. Januar hier im Grimmforum veröffentlichten Darstellung:

der Bericht von Ihnen und Prof. Kirkness im Grimmforum … spiegelt den Verlauf des Sensationsfundes in der Jagiellonen-Bibliothek richtig wider. Wir sind damit vollkommen zufrieden. …
Die Darstellung auf der Grimmforum-Seite könnte vielleicht um die Information ergänzt werden, dass sich alle neun Bände des Wörterbuchs in einem einwandfreien Zustand befinden. Alle Bände sind gebunden, von verschiedenem Umfang – die beiden Bände Wilhelm Grimm Handexemplars sind die dicksten, am dünnsten ist der letzte Band Jacob Grimm Handexemplars, der nur einen Teil des Buchstabens F beinhaltet. Das ganze Wörterbuch wurde desinfiziert, was ein Standardvorgehen für alle für die Magazine der Sondersammlungen bestimmten Objekte ist. Von bestimmter Bedeutung ist auch die Tatsache, dass die Jagiellonen-Bibliothek als erste über den Fund berichtet hat. Im November 2005 wurde die Staatsbibliothek zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz darüber in Kenntnis gesetzt, und im Dezember 2005 – die Brüder-Grimm Gesellschaft in Kassel sowie auch das Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften der Universität Trier.
Es sei hier auch erwähnt, dass Ihrem Bericht eine prompte Reaktion polnischer Presse folgte; schon am 17. Januar 2006 ist eine Notiz in der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ erschienen und weitere Zeitungsredaktionen und Fernsehsender haben die Bibliothek besucht.


Berthold Friemel, 20. Januar 2006
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Übersicht über die neun Bände der Handexemplare
Aus einigen Presseberichten über das Auffinden der Grimmschen Handexemplare in der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau geht nicht immer unmißverständlich hervor, um welche neun Bände es sich handelt. Deshalb füge ich hier eine Übersicht über die Bände ein, die uns freundlicherweise von der Bibliothek übermittelt wurde:

Libr. impr. c. not. ms. Fol. 33-41

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Korrekturblätter, mit zahlreichen eigenhändigen Korrekturen von Jacob Grimm. und anderer Hand

Wilhelm Grimms Handexemplar:
Bd. A-C
(1. Bl. nicht gez., Sp. 33-36, 769-770, 769-770, 1-10, 41, 44-48, 57-64, 49-92, 94-95, 97-1552, 1557-1560, 1553-1556, 1561-1824, 1-612, 609-612, 613-640 + 1 Bl. ms. vor Sp. 7692)
(Libr. impr. c. not. ms. Fol. 33)

Bd. D-E
(Sp. 641-780, 777-780, 781-784, 781-784, 777-968, 961-964, 961-968, 965-1000, 1101-1124, 1025-1712, 1-96, 89-1096, 1053-1060, 1105-1208 + 3 Bl. ms.: am Anfang, nach Sp. 964 und 1496)
(Libr. impr. c. not. ms. Fol. 34)

Jakob Grimms Handexemplar:
Bd. I, Leipzig 1854: A-Biermolke
Teilbd. 1., Leipzig 1854: A-Auslüften
(Sp. I-XCII, 1097-1100, 1-912 + 1 Abb. + 9 Bl. ms.: am Anfang, nach Sp. LXXXIV, LXXXVIII, 4, 212, 376, 604, 724)
(Libr. impr. c. not. ms. Fol. 35)
Teilbd. 2., Leipzig 1854: Auslüftigen-Biermolke
(Sp. 913-1824)
(Libr. impr. c. not. ms. Fol. 36)

Bd. II, Leipzig 1860: Biermörder-D
Teilbd. 1., Leipzig 1860: Biermörder-Decher
(Sp. I-XVIII, 1-880 + 3 Bl. ms.: nach Sp. 332, 696, 836)
(Libr. impr. c. not. ms. Fol. 37)
Teilbd. 2., Leipzig 1860: Dechgeld-Dwatsch
(Sp. 881-1776)
(Libr. impr. c. not. ms. Fol. 38)

Bd. III, Leipzig 1862: E-Forsche
Teilbd. 1., Leipzig 1862: E-Errennen
(Sp. I-VIII, 1-36, 1 Bl. nicht gez., 37-944 + 1 Bl. ms. nach Sp. 116 und 1 der Sp. 234, 266 u. 345 geklebt)
(Libr. impr. c. not. ms. Fol. 39)
Teilbd. 2., Leipzig 1862: Errettbar-Forsche
(Sp. 945-1904 + 2 Bl. ms.: nach Sp. 1116 und 1640)
(Libr. impr. c. not. ms. Fol. 40)

Bd. IV,I,1, Leipzig 1878: Forschel-Gefolgsmann
Teilbd. 1., Leipzig 1863: Forschel-Fromm
(Sp. 1-240 + 2. Bl. nicht gez. am Ende)
(Libr. impr. c. not. ms. Fol. 41)

Alan Kirkness, 22. Januar 2006

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Märchenhandlungsorte
(Grimmforum, 2006-2007)

Noch eine Frage:

Die Deutsche Märchenstraße wurde ja erst recht spät ins Leben gerufen. Gab es denn vor 1945 und besonders im 19. Jahrhundert schon konkrete Orte, die mit den Märchen der Brüder Grimm in direktem Bezug gesehen wurden, wie heute die Trendelburg mit dem Rapunzelturm und die Sababurg, das Dornröschenschloss? Oder ist im 19. Jahrhundert nie der Versuch unternommen worden, bestimmte Orte, Schlösser, als explizite Märchenhandlungsorte zu >verkaufen<? Weiß man dazu irgendetwas? Gibt es vielleicht sogar eine entsprechende Publikation??

Danke!


Regina Freyberger, 30. Juni 2006
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Ortsbezüge zu Grimm-Märchen meist moderne Legenden
Das zunehmende Inbeziehungsetzen konkreter Orte zur Handlung von Grimmschen Märchen ist wohl eine Nebenerscheinung des neueren Tourismus. Eine fragwürdige selbstverständlich.
Eine noch ganz gesunde Vorform könnte man vielleicht in den Illustrationen Otto Ubbelohdes zu den Grimmschen Märchen sehen, für die er sich oft geeignete Orte in Hessen als Szenen suchte, denen ihrerseits etwas von dem Nimbus blieb, den sie durch diese Illustrationen erhielten.
Eigentlich ist die Beziehung zu konkreten Orten oder Personen der Gattung Märchen, wie sie im 19. Jahrhundert von verwandten Erzählformen per wissenschaftlicher Begriffsprägung abgetrennt wurde, fremd. Typisch für Märchen der Grimmschen Art ist es, daß die Handlung nicht zeitlich-historisch-örtlich und auch nicht auf authentische Personen fixiert ist. Solche Gebundenheiten sind demgegenüber nach Grimmschem Verständnis typisch für die Sage. Entsprechend haben die Brüder Grimm offenbar das ihnen vorliegende Material sortiert, wobei es allerdings nicht ganz ohne Widersprüchlichkeiten abging.
Jedenfalls sind konkrete örtliche Zuordnungen in den Grimmschen Märchen äußerst selten, etwa wie im „Mäken von Brakel“ (KHM 139): Et gieng mal ’n Mäken von Brakel na de sünt Annen Kapellen uner de Hinnenborg …. Nicht auszuschließen ist, daß örtliche Zuordnungen in der damaligen lebendigen Erzählpraxis gleichwohl häufiger waren, als es beim Durchsehen der Grimmschen Sammlung zunächst einmal den Anschein hat. Dieser Frage wäre in jedem Einzelfall gesondert nachzugehen, wobei veröffentlichte und — sofern vorhanden — unveröffentlichte regionale Erzählsammlungen heranzuziehen wären.

Vor allem ist aber festzustellen, daß es bei der Inanspruchnahme von Märchentraditionen mitunter zu grotesken Übertreibungen kommt, etwa wenn es zur Trendelburg heißt: Rapunzel soll hier, den Gebrüdern Grimm zufolge, ihr Haar herunter gelassen haben. (http://www.diemelradweg.de/streckenverlauf.php ?page=17). Derartiges ist bei den Brüdern Grimm nicht zu lesen. Als Kommentar zu solch forschen Behauptungen sei zitiert, was Heinz Rölleke unlängst aus gegebenem anderen Anlaß sagte: Nun wissen wir alle, dass sich an das Gedenken an die Märchen-Brüder Grimm mehr erfundene Märchen geheftet haben als sonst schon allenthalben im kulturgeschichtlichen Erinnern üblich. Doch die meisten dieser bestenfalls gut gemeinten, jedenfalls seriöse Interessenten irreführenden Erfindungen gehen aufs Konto der Manager der sogenannten Märchenstraße oder lokaler Kulturstätten, die nicht auf Genauigkeit aus sind, sondern auf Attraktion, und die gern für eine Steigerung der Touristenzahlen ihre Seele verkaufen. (Zitiert in einem anderen Beitrag des Grimmforums.)

Mit derartiger verfälschender Reklame ist niemandem gedient. Die Erlebnisse des angeblich authentischen Orts werden Talmi, sobald man die Legenden an der historischen Überlieferung mißt, und gelernt hat der Tourist bestenfalls, nächstens vorab kritischer zu sein — wenn er überhaupt etwas merkt freilich. Der Ort, für den diese Art von Reklame gemacht wird, ist damit letztlich eher seines Eigenwertes beraubt. (Traurig ist mitunter, daß die sehr interessante wirkliche Geschichte einer Örtlichkeit anscheinend nicht „zieht“ und durch den Bezug zu Grimmschen Märchen aufgeputzt werden muß.)
Man sollte sich bei dieser Art von Marketing beschränken auf:
– Märchen, Sagen und Legenden, die tatsächlich in einer touristischen Region existiert haben und die in ein Tourismuskonzept einbezogen werden können
– tatsächliche Bezüge zu den Grimms und ihrer Märchensammlung, für die dann dasselbe gilt
– Örtlichkeiten, in deren Natur und Kulturdenkmälern etwas aus der historischen Umwelt der Märchen überlebt hat und die dann eben im Sinn eines ‚als ob‘ und historischen Konjunktivs zu den Märchen in Beziehung gesetzt werden können (wenn das seriös gemacht wird, fördert es sowohl einen authentischen Zugang zu den Märchen als historisches Bewußtsein allgemein).

Berthold Friemel, 8. Juli 2006
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Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort!

Wieso ich überhaupt auf den Gedanken verfiel, dass unter Umständen schon früher gewisse Ort mit den Grimmschen Märchen in Beziehung gesetzt wurden, lag gerade an Künstlern wie Ubbelohde. Ich wusste, dass Otto Ubbelohde in seinen Zeichnungen zu den Grimmschen Märchen, hessische Schauplätze als Vorlage für seine Illustrationen wählte und zwar dezidiert als >Märcheninterpretation<. Hermann Vogel ließ sich für seine Gesamtausgabe 1894 (München: Braun und Schneider) an den Motiven seiner vogtländischen Heimat inspirieren: dies dürfte allerdings eher als >inhaltslose< (nicht interpretierende) Motivübernahme anzusehen sein. Und der Landschaftsmaler Viktor Paul Mohn schuf derart >realistisch< wirkende Märchenlandschaften für den 1882 entstandenen Märchenstrauß (Berlin: Stilke), dass sie den Eindruck erwecken, man könnte sie – wie seine Dornröschenburg – tatsächlich (topographisch) identifizieren.
Dadurch drängte sich letztlich der Gedanke auf, dass unter Umständen schon damals bestimmte Orte als märchenhaft wahrgenommen wurden, – auch wenn die Grimmschen Märchen dazu keine Anhaltspunkte liefern und es dem Wesen des Grimmschen Märchens – wie ich Ihnen vollkommen zustimme – zuwider läuft.
Daher ist es für mich gut zu wissen, dass ein – um es mal überspitzt zu formulieren – dezidierter Märchen>tourismus< im 19. und frühen 20. Jahrhundert noch nicht existierte. (Auf der Homepage der Deutschen Märchenstrasse wird nicht einmal darauf hingewiesen, wie es zu der Zuweisung der Örtlichkeiten zu den einzelnen Märchen gekommen ist…)

Und Sie haben absolut recht: es ist wirklich schade, dass gewisse Orte nicht über ihre eigene Geschichte, sondern nur noch über die >Märchenverbindung< als interessant verkauft werden können!

Nochmals vielen herzlichen Dank!

Regina Freyberger, 9. Juli 2006
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Auch die Illustrationen Viktor Paul Mohns lassen sich topografisch zuordnen.Mit seinen Illustrationen für „Märchen-Strauß für Kind und Haus“ hat er eindrucksvoll die sächsische Schweiz in Szene gesetzt,eine Landschaft,die heute noch den Eindruck erweckt,als könnten dort noch Zwerge nach Silber graben oder Hexen in den tiefen Wäldern hausen…😂

Rotkäppchen, 15. Februar 2007

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Redensarten, Abzählverse, Tischgebete, Kinderverse …
(Grimmforum, Januar 2006)

Für ein Schulbuch zum Thema Romantik suche ich Kinderverse, wie sie in der Zeit 1780-1850 in Deutschland entstanden sind und genutzt wurden, um daran Kulturgeschichtliches festzumachen.
Wer kann helfen?


Uwe-Carsten Edeler, 13. November 2006
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Folgendes werden Sie schon kennen?
– Brüder Grimm: Im Himmel steht ein Baum, Dran häng ich meinen Traum. Volkslieder, Kinderlieder, Kinderzeichnungen, hrsg. von Gabriele Seitz. – München (1985). – 141 S., illustriert mit Kinderzeichnungen der Brüder Grimm. ISBN 3-538-06747-3.
– Wiegen- und Kinderlieder. Gesammelt durch die Brüder Grimm, hrsg. von Heinz Rölleke. Weimar 1999.
– Unbedingt heranziehen müßte man den Anhang „Kinderlieder“ in Arnims und Brentanos Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“, am besten in der historisch-kritischen Ausgabe Heinz Röllekes mit dem wissenschaftlichen Apparat zu den einzelnen Liedern, der auf weitere Literatur hinleitet.
– Anschauen könnten Sie auch den Beitrag Verena von Hammersteins mit der Edition einer bisher unbekannten Sammlung schweizerdeutscher Kinderverse des 19. Jh. in: Brüder Grimm Gedenken, Bd. 14 (2001), ebenfalls mit weiterführender Literatur und Angaben zu großen veröffentlichten Sammlungen; Karl Simrocks klassische, sehr umfangreiche Sammlung von Kinderliedern, Reimen, Sprüchen und Abzählversen ist wohl die hauptsächliche, die in Betracht kommt.

Berthold Friemel, 14. November 2006

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Kritik an Grimm&Kassel un-anonym und auf den Punkt
Grimm / Kassel im HNA-Forum
(Grimmforum, 23. Juni 2006)

In den letzten Tagen wurde im Kasseler „Extra-Tip“ und durch den dortigen Kulturbürgermeister Junge neuerlich behauptet, die an den Kasseler Grimm-Zuständen und an der Person, die sie vor allem zu verantworten hat, geübte Kritik sei nicht nachvollziehbar, nicht nachprüfbar oder disqualifiziere sich durch Anonymität. Indessen werden diese Auseinandersetzungen ja sehr sichtbar zwischen Personen und Personengruppen ausgetragen und werden – aus guten Gründen und nach den Gepflogenheiten dieses neuen Mediums – in zwei Internet-Foren kritisch begleitet. Es scheint mir angemessen, konkrete Kritikpunkte zusammenzutragen, die ganz offen, keineswegs aus einem anonymen Dunkel vorgebracht wurden, um den durchsichtigen Abwehrstrategien den Boden zu entziehen. Zunächst zitiere ich den „Extra-Tip“ (21. 6. 2006):

Was man dem überaus aktiven Museumschef eigentlich genau vorwarf, das konnte nie richtig geklärt werden. Da wurde eher mit Unterstellungen und Vermutungen gearbeitet, konkrete Nachweise fehlten komplett. … Die hartnäckigsten Gegner von Dr. Bernhard Lauer sind ja nie aus dem Schutz der Anonymität hervorgetreten.

Die HNA in einem Internet-Beitrag vom 21. zitiert den Kasseler Kulturbürgermeister Junge:

„Die Arbeit von Dr. Lauer wird anerkannt“, sagt Junge. Die Vorwürfe gegen den Museumsleiter seien nicht nachprüfbar.

Dazu ist festzustellen: Kritik ist seit Monaten detailliert vorgetragen worden, öffentlich und nichtöffentlich. Die Kritikpunkte wurden mit zahlreichen Beispielen und Nachweisen versehen. Die Kasseler Reformgruppe kann Zeugen für Missstände wie Mobbing und das Xxxxxxxxxxxx von Beständen beibringen, sofern die Kasseler Stadtregierung diese Möglichkeit hätte in Anspruch nehmen wollen. Scharfe Kritik wurde vielfach frank und frei vorgetragen. Einige Beispiele:

Frau Prof. Dr. Claudia Brinker-von der Heyde, Professorin für mittelalterliche deutsche Literatur an der Universität Kassel, Mitglied des Wissenschaftlichen Rats der Brüder Grimm-Gesellschaft:

… was Herrn Lauer auszeichnet: dass er immer nur seine Position sieht und immer alles sofort abqualifiziert, was von einer Seite kommt, die nicht mit seiner Arbeit vollständig einverstanden ist. im DeutschlandRadio Kultur, 5. 5. 2006

Herr Prof. Dr. Alan Kirkness, emeritierter Professor für Germanistik und für linguistische Methodik aus Auckland, Neuseeland, u. a. Mitarbeiter am „Deutschen Fremdwörterbuch“ des IDS Mannheim, langjähriges Mitglied der Brüder Grimm-Gesellschaft, Experte für die Geschichte des Grimmschen Wörterbuchs:

Daß die Kasseler Bestände ohne Wenn und Aber allen Grimm-Forschern zugänglich gemacht werden, ist eine Selbstverständlichkeit. Daß dies jedoch in der jüngeren Vergangenheit xxxxx immer xxxx xxx xxxxxx der Fall gewesen zu sein scheint, wie aus Forenbeiträgen hervorgeht, xxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxx. Hier sind m. E. auf der Mitgliederversammlung dem bisherigen Vorstand harte Fragen zu stellen, die eine Antwort verlangen. Hier tut eine neue, ganz andere Praxis bitter not. in grimmforum.de, 24. 4. 2006

Herr Prof. Dr. Heinz Rölleke, Forscher zu den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm mit ausgezeichnetem internationalem Ruf, Grimm-Preisträger 1999, Mitglied des Wissenschaftlichen Rats der Brüder Grimm-Gesellschaft

Meine Damen und Herren, auf der schön gestalteten Einladung zu dieser heutigen Veranstaltung … ist ein altes Möbelstück abgebildet, ein Sekretär im Stil des frühen 19. Jahrhunderts. Ich weiss nicht, ob die Gestalter dieser Karte damit ein wenig einem Irrtum aufgesessen sind oder ob sie in sehr subtiler Ironie auf einige Gegebenheiten in und im Umfeld der Kasseler Brüder Grimm-Gesellschaft anspielen wollten. … Denn: Dieses Möbelstück ist seit knapp sechs Jahren weltberühmt. Seine Abbildungen zieren Hunderte Fotoalben, vor allem auch in Japan und den USA, mit Reiseandenken. Unter anderem dieser Sekretär vertrat nämlich auf der Expo in Hannover das Land Hessen und seine Kultur. Er war von der Brüder Grimm-Gesellschaft als Märchenschreibtisch der Brüder Grimm, sozusagen als das kostbarste Möbelstück aus der Grimmschen Märchenwerkstatt, identifiziert, angepriesen und eben auch nach Hannover herumgereicht worden. Nun wissen wir alle, dass sich an das Gedenken an die Märchen-Brüder Grimm mehr erfundene Märchen geheftet haben als sonst schon allenthalben im kulturgeschichtlichen Erinnern üblich. Doch die meisten dieser bestenfalls gut gemeinten, jedenfalls seriöse Interessenten irreführenden Erfindungen gehen aufs Konto der Manager der sogenannten Märchenstraße oder lokaler Kulturstätten, die nicht auf Genauigkeit aus sind, sondern auf Attraktion, und die gern für eine Steigerung der Touristenzahlen ihre Seele verkaufen. Hier aber hat sich die Brüder Grimm-Gesellschaft, die nach dem Wortlaut ihrer Satzung eine internationale wissenschaftliche Gesellschaft ist, die wissenschaftliche Zwecke verfolgt, mit einem zumindest fahrlässigen Irrtum vor aller Welt geoutet. Der in Frage stehende Sekretär wurde nach nicht zu bezweifelnder Familientradition im Jahr 1837 durch Ludwig Hassenpflugs, des vormaligen Schwagers der Brüder Grimm, zweite Gattin, Agnes von Münchhausen aus Rinteln, in die Ehe eingebracht. Vor einiger Zeit ist er dem Kasseler Grimmmuseum durch Frau Dr. Hassmüller aus Freiburg zum Geschenk gemacht worden. Ob dieses harmlose Möbelstück, das auf jeden Fall direkt überhaupt nichts mit den Brüdern Grimm zu tun hat, nun aus Unkenntnis oder in bewusster Irreführung falsch deklariert und zu einer kostbaren Reliquie aus dem Märchenhaus und aus dem Nachlass der Brüder Grimm hochstilisiert und gehandelt wurde, steht dahin. Beides ist in meinen Augen nicht recht entschuldbar. bei einem Vortrag in Kassel, 28. 4. 2006, Mitschnitt vorh. in Uni-Bibliothek Kassel; zu der genannten Einladung und zum Exponat „Märchenschreibtisch“ siehe http://www.grimmnetz.de/wp/2020/12/10/2347/

Herr Prof. Dr. Klaus Siebenhaar, Ausstellungs- und Theaterexperte, gebürtiger Kasseler, Professor für Kulturmanagement in Berlin:

Die Grimms und Kassel sind von außen betrachtet ein drittklassiges Trauerspiel oder ein bitteres Lehrstück kultureller Krähwinkelei. Keine Frage, die Grimms sind und bleiben ein kultureller Exportschlager und ein unvergleichliches Erbe. Wer aber die Weltmarke Grimm für sich reklamiert, muss international Erstklassiges bieten. Beispielsweise – und da beginnt das Elend – eine Ausstellung, eine Präsentation und Visualisierung des Grimmschen Erbes mit dem Zentralbereich Märchen auf höchstem Standard. Und das heißt: konzeptionell-didaktisch, ausstellungsästhetisch und -medial auf internationalem Museumsniveau, wie es einer Weltmarke gebührt. Nichts davon ist in Kassel sicht- und spürbar … Das Weltkulturerbe der Grimms verdient eine andere Pflege und Darstellung, sonst muss man sich nicht wundern, wenn andere dieses Erbe antreten oder längst angetreten haben. im Lion’s Club Kassel, Anfang 2006; Volltext wurde von der HNA veröffentlicht

Die Zusammenstellung lässt sich leicht ergänzen, aber für’s erste dürfte es wohl zur Anregung der Diskussion ausreichen, sich diese vier Zitate noch einmal genau zu überlegen. Ich rufe zur Ergänzung der Sammlung auf. Das in Kassel kursierende Windfuhr-Papier zur Qualität der Ausstellungsarbeit im BGM wäre es auch wert, zumindest in Auszügen noch einem größeren Personenkreis bekannt zu werden (mir liegt es z. Z. nicht vor).

Dieser Beitrag wurde vom Forumsadministrator im Hinblick auf die 2008 / 2009 stattgefundene juristische Auseinandersetzung um Äußerungen zu Zugangsverhältnissen für die Wissenschaft im Grimm-Museum Kassel teilweise unlesbar gemacht.

milatosSO36, 23. Juni 2006
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Im Leserforum der „Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen“, der einzigen ernstzunehmenden eigenständigen Zeitung in Kassel, besteht seit Anfang Februar ein Thread, der sich auf eine witzig-ironische, in den vertretenen Anliegen aber zumeist ernsthafte Weise mit den krisenhaften Entwicklungen der letzten Monate um das Brüder Grimm-Museum und die Brüder Grimm-Gesellschaft Kassel auseinandersetzt (http://forum.hna.de/forum/viewtopic.php?id=800). Der Thread mit fast 1.900 Beiträgen und weit über 46.000 Zugriffen ist wohl das Thema, das in dem Kasseler Forum bisher das größte Interesse gefunden hat und damit Bürgermeisterwahl, Flughafenausbau Calden, Gestaltung von Königsplatz und Bahnhofsvorplatz usw. spielend überholte. Auch in der Geschichte des Grimm-Gedenkens und der Grimm-Forschung wird dieser Thread mehr als eine Fußnote sein, und daher möchte ich vorschlagen, die dortigen Erörterungen hier in konzentrierter Weise zusammenzufassen und als Bezugstexte für die Zukunft verfügbar zu machen. Denn in Wirklichkeit ist der Reformbedarf bei den Kasseler Grimm-Institutionen ja unverändert, und die Wahlentscheidung der BGG vom 6. 5. ist nur ein Aspekt der Sache; auch die Wahlentscheidung ist vielleicht keine so eindeutig „konservative“ wie zunächst gedacht; andere parallel verlaufende Entwicklungen verweisen nach wie vor in ganz andere, durchaus zukunftsträchtige Richtungen. In jedem Fall ist ein Dreivierteljahr nach dem Zutagetreten der Kasseler Probleme eine bereits deutlich veränderte Situation entstanden.

Zu dem Zweck, eine Zusammenfassung des Kasseler Threads hier zu beginnen, habe ich als eine der dort diskutierenden „Personen“ mich nun auch hier im Grimmforum registriert. Es scheint mir lohnend, sich gemeinsam darum zu bemühen, den Verlauf der Diskussionen in dem Kasseler Forum hier so zu rekonstruieren, daß man sich ohne zu großen Zeitaufwand ein Bild machen kann. Der Humor und die Vielfalt der Kasseler Diskussionen sollten dabei erhalten bleiben. Wo es inhaltlich dazugehört, sollten auch Beiträge aus den dortigen Diskussionen zu den Themen „Märchenwunderland“ und „Museumslandschaft“ einbezogen werden. Mein Vorschlag wäre, daß wir der Chronologie folgen und der Zeitbezug der einzelnen Beiträge immer möglichst sichtbar gemacht wird. Es wird nötig sein, dabei etwas zu experimentieren, und vielleicht können die Moderatoren des Forums Unterstützung leisten, wenn es nötig werden sollte, diesen Thread später zu straffen, denn das Ausmaß des Kasseler Originals sollte er nicht annehmen. Diskussionen über die Gestaltung dieses Zusammenfassungs-Threads kann man vielleicht in einem eigenen weiteren Thread führen und sich hier nur auf die möglichst zutreffende Zusammenfassung des Kasseler Hergangs beschränken.

Bonoboche, 4. Juni 2006
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Der Thread im HNA-Forum wurde am 6. Februar von einem Teilnehmer namens „Grimmig“ eröffnet, nachdem zuvor in dem Anzeigenblatt „Extra Tip“ zwei deutlich von B. Lauer inspirierte Beiträge erschienen waren, mit denen die bisherigen Zustände in Grimm-Gesellschaft und Grimm-Museum verteidigt werden sollten. Im ersten dieser Beiträge (vom 1. 1.) hieß es:

Klaus Becker schrieb am 1. 1. 06
Polit-Intrigen in Grimm-Gesellschaft Kampagne gegen den anerkannten Experten und Museumsleiter Dr. Lauer – SPD-Mann soll an die Spitze
Um ihr stolzes Erbe geht es: Jakob (rechts) und Wilhelm Grimm. Foto: privat

Sie ist eine Gesellschaft, die einen der größten Schätze Kassels hütet: die Erinnerung an die legendären Brüder Grimm. Die nicht nur als Märchensammler Weltruhm für ihre nordhessische Heimat sicherten, sondern auch als herausragende Wissenschafter im internationalen Gedächtnis weiterleben. Anerkannt von internationalen Organisationen wie der UNESCO, respektiert praktisch in allen Ländern, in denen sie ihre Kenntnis über Sprachen und deren Herkunft auf sicheres, wissenschaftliches Niveau hoben. Nur die nach ihnen benannte Brüder Grimm-Gesellschaft in Kassel scheint nicht zur Ruhe zu kommen. Dort droht jetzt eine Gefahr, die man lange von der Gesellschaft fernhalten wollte: Sie wird hineingezogen in politische Querelen.
Von KLAUS BECKER
KASSEL – Als neuen Präsidenten der Brüder Grimm-Gesellschaft möchte OB Bertram Hilgen ausgerechnet den Vorsitzenden des Kulturforums der Kasseler SPD durchsetzen, den früheren Uni-Präsidenten Hans Brinkmann. Der außer seiner parteipolitischen Qualifikation in Sachen Grimm bisher nicht in Erscheinung getreten ist.
Das Ganze läuft Hand in Hand mit einer massiven Kampagne gegen den Direktor des Brüder Grimm-Museums in Kassel, Dr. Bernhard Lauer. Der hat sich in den letzten Jahren mit unermüdlichen Fleiß – manche sagen sogar mit ausgesprochener Besessenheit – um das Thema ,Brüder Grimm‘ gekümmert. Fast 100 Publikationen aus seiner Feder sind in dieser Zeit zu den Grimms erschienen. Auch international hat sich Dr. Bernhard Lauer einen Namen gemacht. Zuletzt präsentierte er im spanischen Malaga eine Ausstellung über die Brüder Grimm, die große Anerkennung findet. Neben seiner intensiven Kenntnis über Leben und Werk der Brüder Grimm zeichnet sich Dr. Lauer wie die berühmten Brüder durch eine ausgesprochene Sprachen-Begeisterung aus. Kaum eine der großen Kultursprachen, in denen er nicht über die Brüder Grimm referieren kann. Selbst Japanisch hat er gelernt, um dem großen Interesse an den Brüdern in diesem fernöstlichen Land gerecht zu werden. Doch in Kassel selbst – der Prophet gilt bekanntlich am wenigsten im eigenen Lande – wird er angefeindet. Der Hauptvorwurf: Dr. Lauer „monopolisiere“ die Erinnerung an die Brüder Grimm, lasse andere nicht zum Zuge kommen. Der kann die Vorwürfe leicht zurückweisen: Unter seiner Verantwortung sind fast 100 Publikationen zum Thema Grimm erschienen, an denen zahlreiche Autoren beteiligt waren. Der Direktor des Brüder Grimm-Museums hat immer dafür gesorgt, möglichst viele andere Wissenschaftler mit einzubeziehen. Allerdings, daraus macht er keinen Hehl, verlangt er einen gewissen Einsatz und ein gewisses Niveau. So kann er zum Beispiel die Vorwürfe aus den Reihen von Kasseler Universitäts-Lehrern nicht verstehen, er xxxxxxxxx diese in ihrer Arbeit. Wer auf ihn zukomme, dem helfe er: Eine Erfahrung, die auch viele Journalisten bestätigen können, die von Dr. Lauer immer intensiv und ausgiebig mit Material versorgt wurden. Bedauerlicherweise sei aus den Reihen der Kasseler Universität bislang das Thema ,Brüder Grimm‘ zu selten aufgegriffen wurden. Sonst hätte er natürlich selbstverständlich gern auch diese Arbeiten unterstützt.
Beobachter vermuten, dass hinter der neuesten Kampagne gegen den Grimm-Experten Dr. Lauer ein Gegner aus der Brüder Grimm-Gesellschaft steht. Wolfgang Windfuhr, früherer Landtags-Vizepräsident der CDU und mehrere Jahre Präsident der Brüder Grimm-Gesellschaft. Er hat es bis heute nicht verwunden, dass die Grimm-Gesellschaft ihn nicht bedingungslos unterstützt hat und er deshalb zurücktreten musste. Beobachter sehen inzwischen eine seltsame Koalition. Dort der Mann des konservativen Lagers, auf der anderen Seite OB Bertram Hilgen, der seinen Kandidaten Hans Brinkmann in das Amt des Präsidenten hieven möchte. Was den für diese Aufgabe auszeichnet, können nur wenige sehen. Als Uni-Präsident hat sich Brinkmann nicht für die Grimms ausgezeichnet. Er sich nicht auch nicht mit Ruhm bekleckert in seiner Rolle als einer der Haupt-Initiatoren von Kassels privater Uni ,KIMS‘. Denn die musste bekanntlich mit beträchtlichen Schulden den Betrieb aufgeben. Eine Entwicklung, die Brinkmann offenkundig lange verborgen blieb. Jetzt möchte ihn OB Hilgen gern als Präsidenten der Grimm-Gesellschaft. Der frühere Uni-Präsident hat sich stets durch Sympathie zum früheren abgewählten OB Bremeier bemerkbar gemacht. Und man vermutet, dass er als Vorsitzender des Kulturforums der Kasseler SPD jetzt weitere Qualifikationen braucht, nachdem das Unternehmen ,KIMS‘ so kläglich gescheitert ist.
Hand in Hand mit dem Plan, Brinkmann in der Grimm-Gesellschaft durchzusetzen, läuft der Versuch, den anerkannten und renommierten Wissenschaftler und Museumsleiter Dr. Bernhard Lauer abzusägen. Er soll sich aus allen Gremien der Gesellschaft zurückziehen, so lautet die kategorische Forderung aus dem Rathaus. Eine Forderung, die Grimm-Begeisterte nur mit Fassungslosigkeit zur Kenntnis nehmen. Offenkundig soll die Grimm-Gesellschaft politisiert werden. Und der Sozialdemokrat Brinkmann, mit der ,KIMS‘ gescheitert, soll als Präsident durchgesetzt werden. (Zitat: Extra-Tip Kassel vom 1. 1. 2006, hier nach der Online-Ausgabe)

Am 29. Januar legte das Blatt nach, wiederum mit einem Beitrag von Klaus Becker, der mit B. Lauer seit den Zeiten der Veranstaltungsgesellschaft „200 Jahre Brüder Grimm“ (1985 / 86) zusammenarbeitet:

Klaus Becker schrieb am 29. 1. 06

(Bild- und Textzitat: Extra-Tip Kassel vom 29. 1. 2006)

Das Erscheinen dieses „Extra-Tip“-Beitrags war Anlaß für rege Diskussionen, die zunehmend nicht nur in privaten Kreisen, sondern auch im Internet geführt wurden, zum Beispiel auch im Grimmforum. In Kassel war dies der Zeitpunkt, als nach Meinung des HNA-Lesers „Grimmig“ das Faß übergelaufen war und er am 3. 2. seinen bis heute so sehr besuchten Thread eröffnete (http://forum.hna.de/forum/viewtopic.php?id=800&p=1):

Grimmig schrieb am 3. 2. 06: Der Kasseler Extra-Tip hat nach eigenen Recherchen und in Zusammenarbeit mit dem Direktor des Brüder-Grimm-Museums in Kassel, Bernhard Lauer, herausgefunden: Herr Lauer ist der GröForZ – der größte Forscher aller Zeiten – und Auffinder Büchern, die niemand vorher aufzufinden wusste. Jede Kritik an dem zugegebenermaßen merkwürdigen und leicht überdrehten Forscherverständnis wird als Intrige gekennzeichnet und durch den GröHaz – den größten Herausgeber aller Zeiten – Klaus Becker in die Welt hinausposaunt. Vertreter der Uni Kassel hat man bereits in der Brüder-Grimm-Gesellschaft den Stuhl vor die Tür gestellt und sie öffentlichkeitswirksam als Intriganten und Nichtsnutze (bezüglich der Grimmforschung) gebrandmarkt und im Sinne moderner Anprangerung der Lächerlichkeit preisgegeben.

Mit der Extra-Tip-Meldung vom letzten Sonntag scheint jedoch das Fass übergelaufen zu sein: Zumindest für die bundesdeutschen Grimmforscher, basiert der Artikel doch auf einer Lüge. Dennoch – nicht alle werden wach: Die Stadt Kassel und „Mitinhaber“ und „Chef“ des Brüder-Grimm-Museums / der Brüder-Grimm-Gesellschaft haben einen Burgfrieden verordnet – aus politischen Gründen, stehen doch demnächst Kommunalwahlen auf dem Programm. Und so haben zur Zeit weder OB Hilgen, noch Bürgermeister Junge ein Interesse an öffentlicher Aufruhr. Und die würde sich sofort einstellen, wenn der Dienstherr seinem Angestellten mal die Leviten lesen und Konsequenzen aus derartigem Verhalten ziehen würde. Fazit: Es geht kaum jemandem um das Brüder-Grimm-Museum, sondern lediglich um die eigenen Interessen. OB Hilgen sieht die SPD im Aufwind, verordnet Stillschweigen und sieht zu, wie sein Parteigenosse und designierter Nachfolger im Amt der Brüder-Grimm-Gesellschaft, Brinkmann, öffentlich demontiert wird. Der Bürgermeister und Kulturdezernent Junge hingegen mag sowieso keinen Stress und pflegt die Vorurteile derjenigen, die in dem Theologen eher einen zweiten Pfarrer Fliege als einen Politiker mit Weit- und Durchsicht sehen.

Die Knallhütter Brauerei im Landkreis kocht ihr eigenes Süppchen – hier gibt es keine Parteifreunde mehr, sondern es zählt nur noch das Geschäft – und so distanziert sich der Knallhüttenchef und SPD-Mitglied Bettenhäuser von seiner eigenen Partei und hofft auf weiteren Umsatz unter dem Märchenmann Lauer – das Schneewittchenbier muss schließlich unter das Volk. Übrigens auch der Stahlschrott von Kettensägen-Ricky, dessen Skulpturen sich in Kassel mittlerweile weiter Verbreitung erfreuen – Lauer sei Dank. Und so avanciert Ricky Weber auch schon mal zum lautstarken Sprachrohr Lauers – wie z. B. auf der letzten Versammlung der Brüder-Grimm-Gesellschaft – und bügelt die Lauerkritiker mit unterstem „Fullebrüggen“-Jargon nieder.

Das Brüder-Grimm-Museum und die Brüder-Grimm-Gesellschaft sind zu Versorgungsträgern verkommen. Zu Versorgungsträgern einiger lauerfreundlicher Mitläufer, die sich auf Kosten des kleinen Mannes – dem Steuerzahler mithin – ihre Schäflein ins trockene bringen, sekundiert von einer Zeitung, die ja – wohlgemerkt – kein Geld kostet und sich aus Anzeigen finanziert – ein Schelm, wer Böses dabei denkt …

Anmerkungen: Buch oben im Bild: nicht die Krakauer DWB-Handexemplare, sondern im BGM Kassel befindliches Handexemplar der Märchen;
OB Bertram Hilgen, gewählt 2005 = SPD;
Bürgermeister Thomas-Erik Junge, verantwortlich für Kultur und schon länger amtierend = CDU;
Frank Bettenhäuser = Inhaber von Brauerei und Restaurant Knallhütte bei Kassel (aus der Inhaberfamilie stammte die Grimmsche Märchenbeiträgerin Dorothea Viehmann);
Kettensägen-Ricky = Reinhold Weber, Skulpturenkünstler in Kassel, stellte in Kassel in Zusammenarbeit mit dem BGM und mit der Firma Truss Haustechnik mehrere großformatige Zinkplastiken auf, die von Grimmschen Märchen inspiriert sind;
Fullebrüggen-Jargon: bezieht sich auf die Örtlichkeit „Fuldabrücke“ am Rand der Kasseler Altstadt, von „Grimmig“ am 26. 2. im HNA-Forum, # 317, noch folgendermaßen erklärt: „Fullebrüggenschbroche ist Kasselänisch auf Ephesus und Kupille Niveau. Ach ja – für die ‚Nichtkasseler‘: Fullebrüggenschbroche ist Kasseler Dialekt, der von den einfachen Leuten gesprochen wird / wurde. Für Nicht-Kasseler mag diese derb-deftige Sprache (hör moh Henner, host’se denn nit mähr alle, ahle Schlagge) als sehr beleidigend empfunden werden. Die ‚Neu-Fullebrüggenschbroche‘ weist weniger Dialekt auf, dafür wirkt sie in hochdeutscher Form sehr aggressiv und ist als Soziolekt auf einen bestimmten Gebrauchsraum beschränkt. Bei Missachtung dessen, kann es leicht zu Irritationen kommen, vor allem in Kombination mit erhöhter Lautstärke. So konnte bei vielen Teilnehmern der letzten GG-Versammlung der Eindruck entstehen, dass aus einer bestimmten Ecke eine Art ‚Niederbrüllkommando‘ eingesetzt wurde, wobei der Kasseläner an sich sofort erkannt hätte, dass es sich dabei lediglich um normales Rumpöbeln handelte. Ich hoffe, die Frage einigermaßen beantwortet zu haben.“

Dieser Beitrag wurde vom Forumsadministrator im Hinblick auf die 2008 / 2009 stattgefundene juristische Auseinandersetzung um Äußerungen zu Zugangsverhältnissen für die Wissenschaft im Grimm-Museum Kassel teilweise unlesbar gemacht.

Bonoboche, 4. Juni 2006

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Allgemein

Grimm-Gesellschaft Kassel in der Verantwortung
Dieter Staubach neuer Präsident
(Grimmforum, April-Juni 2006)

Das Forum der „Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen“, http://forum.hna.de/forum/viewtopic.php?pid=12197#p12194, enthält heute einen meines Erachtens sehr klugen Beitrag über die Brüder Grimm-Gesellschaft Kassel. Der Autor, Ralph Hallstein, weist vollkommen richtig darauf hin, dass die Verantwortung für die Zukunft der Grimm-Aktivitäten in Kassel zum großen Teil bei den Mitgliedern dieser Gesellschaft liegt. Aus persönlicher Erfahrung gibt er den Eindruck wieder, dass manche Mitglieder die während der letzten Monate zutagegetretenen Ungereimtheiten und Missstände eher verdrängen, wenn sie sie nicht gar als „Schlitzohrigkeit“ im Interesse der Kasseler Grimm-Interessen beschönigen (dabei wäre dann wohl an die Unterschiebung eines Möbels, das die Grimms bestenfalls ab 1837 vereinzelt und kurz bei Hassenpflugs gesehen haben könnten, als ‚Grimm-Schreibschrank‘ [Expo 2000, jetzt Japan-Tournee] oder die nicht erschienenen, aber als verfügbar bekanntgemachten Veröffentlichungen zu denken usw. usf.; beides wurde im Forum der HNA sehr ausführlich diskutiert).
Den heutigen Beitrag aus dem HNA-Forum zur Stimmungslage in der Grimm-Gesellschaft möchte ich ins Grimmforum übertragen, um Mitglieder der Grimm-Gesellschaft und interessierte Nichtmitglieder auch hier einzuladen, diese Einschätzung zu überprüfen und die unterschiedlichen Entscheidungsmöglichkeiten zu diskutieren. Denn in den nächsten Tagen ist ja damit zu rechnen, dass der amtierende Rumpf-Vorstand die Unterlagen zur Wahlversammlung an die Mitglieder versendet.

Aus dem Beitrag von Ralph Hallstein über die Stimmungslage in der Grimm-Gesellschaft

Um es vorweg zu sagen: ich bin nicht Mitglied der BGG und verfolge als (kultur)interessierter Kasseler Bürger das HNA-Forum seit Wochen mit Interesse und auch Vergnügen.
In meinem Bekanntenkreis befindet sich ein Ehepaar, das seit Jahrzehnten Mitglied der Gesellschaft ist und ich sprach dieses auf die laufenden Vorgänge an. Erstaunlicherweise waren beide eher unberührt von den massiven, aber für Außenstehenden doch plausibel vorgetragenen Vorwürfen gegen Dr.Bernhard Lauer. Mit der fragwürdigen Qualität des Museums wollten sie sich gar nicht auseinandersetzen, sondern zogen sich auf die Position „woanders ist es auch nicht besser“ zurück.Die gravierenden Vorhaltungen hinsichtlich der – vorsichtig ausgedrückt – „inszenierten Gelehrsamkeit“ des Museumsleiters wurden in ihrem Gehalt und ihrer Bedeutung gar nicht verstanden.
Im Gegenteil: Lauers Verhalten erscheint als Ausdruck einer gewissen Schlitzohrigkeit und Cleverness, die insgeheim bewundert wird.
Muß ich befürchten, daß diese Haltung für die Mehrheit der Mitglieder repräsentativ ist? Ich kann nicht die Motivation beurteilen, Mitglied der BGG zu werden. Meiner Beobachtung nach spielen Motive der Heimatverbundenheit (Grimm=Kassel) und das Interesse an Märchen eine zentrale Rolle, wobei die Beschäftigung mit komplexeren Fragen, wie etwas Editionswissenschaft und Philologie eher als marginal, ja lästig angesehen wird.
Daß die BGG als Verein offensichtlich eine ganz spezielle Institution ist, ersehe ich aus dem merkwürdigen Verhalten Dr.Lauers und des Restvorstandes.
Angesichts solch massiver Vorwürfe, wäre es in jedem x-beliebigen Sportverein eine Frage des guten Geschmackes gewesen, die Tätigkeit des Geschäftsführers bis zur Klärung dieser Vorwürfe ruhen zu lassen. Wohl gemerkt: eine Frage des Stils – aber auch als Zeichen, selbst an einem gemeinschaftlich zu findenden Kompromiß mitzuwirken.
Ich schließe aus dem Verhalten Dr.Lauers auf einen ungebremsten Machthunger, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob dieser nur in einer erstarrten Persönlichkeitsstruktur verankert ist, oder auf noch nicht offengelegte Vorgänge verweist, die man gerne vor der Öffentlichkeit verbergen möchte.
Selbst wenn man nur die Psychologie weiter bemühen will, scheint mir bei Dr.Lauer noch ein ganz anderes Motiv wirksam zu sein: Angst.
Die Erfahrung lehrt, daß Charaktere wie er neben sich keine ebenbürtigen oder überlegeneren Persönlichkeiten dulden. Daraus wird verständlich, wie wenig er etwa die Hochschullehrer aus Kassel akzeptieren konnte, bzw. nach kurzer Zeit schmerzlich hätte erfahren müssen, auf welch sandigem Grund seine Lebenslüge des „Wissenschaftlers von internationalem Rang“ aufgebaut war.
Die Kritik an der zögerlichen Haltung der relevanten Politiker ist meiner Meinung gerechtfertigt. Aber ich warne vor einem allgemeinen „Politiker-Bashing“. Man sollte an die Mitglieder der BGG appellieren, sich ihrer Verantwortung auch für Kassel bewußt zu werden und nicht durch eine weitere Unterstützung Dr.Lauers die Peinlichkeiten in die Zukunft zu verlängern. Immerhin verwundert es, daß die überregionale Presse noch nicht von dieser Mischung aus Provinzposse, wissenschaftlicher Großmannssucht und kulturpolitischer Ignoranz Kenntnis genommen hat.
Was wenn?
Nicht nur die BGG, sondern ganz Kassel wäre wieder einmal der Blamage ausgesetzt.

Es ist sehr zu hoffen, dass die Mitglieder der Grimm-Gesellschaft ihre Verantwortung ernstnehmen. Sollten sie es mehrheitlich für gut halten, vor dem im Verlauf von mehr als einem Jahrzehnt entstandenen Desaster die Augen zu verschließen, müsste man andererseits fragen, ob die zentrale Stellung der Gesellschaft für die Kasseler Grimm-Aktivitäten so fortbestehen kann oder ob einzelne Bereiche besser dort abgelöst und in andere Organisationsformen überführt werden sollten. Die Mitglieder mögen letztlich nach ihrem Gutdünken und Belieben entscheiden; bei ihren Entscheidungen sollten sie sich des Interesses der kritischen interessierten Öffentlichkeit am Ergebnis der bevorstehenden Mitgliederversammlung – und der zu erwartenden Reaktionen – aber bitte bewusst sein! Öffnung oder Einmauern, Ausweitung auf weitere Themen und Arbeitsgebiete oder Einengung auf das Spektrum, das vom verbliebenen Rest abgedeckt werden kann, Erlangung überregionaler Qualitäten oder unaufhaltsamer Abstieg auf Provinzniveau, das sind Alternativen, über die auf der Mitgliederversammlung Anfang Mai zu entscheiden ist.

milatosSO36, 3. April 2006
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Nach dem 26. März – ein Zwischenruf
Auswärtige Freunde fragten die letzten Tage telephonisch nach dem weiteren Fortgang des „Kasseler Reformprozeßes“ an. Dabei wurde mir bewußt, daß ohne die Kenntnis der politischen Lage nach den Kommunalwahlen vom 26.3. eine realistische Einschätzung des möglichen weiteren Verlaufs nicht möglich ist. Ich will hier meine Bewertung zur Diskussion stellen und für den Fortgang der Ereignisse über den 6.Mai hinaus eine Voraussage wagen.
Am 26.3. erreichte die SPD in Kassel gegen den Landestrend bei einer Wahlbeteiligung von ca. 37 % (!) das beste Ergebnis in einer hessischen Großstadt. Die Verluste der CDU waren mit ca. 28 % nicht so dramatisch wie erwartet, während die Grünen mit ca. 16 % ihre Position behaupten konnten. Anfang der Woche nun erklärte OB Hilgen, mit dem bisherigen Magistrat weiterarbeiten und seine Politik mit einer parteiübergreifenden Konstellation fortsetzen zu wollen. Ein Vorhaben, das in der Bevölkerung auf Sympathie stößt und sich als sehr geschickt erweist, da es verdeckt, daß sich mittlerweile der berühmt-berüchtigte „rote Filz“ früherer Jahre auf der Verwaltungsebene wieder rekonstruiert. Für die Kulturpolitik interessant: so wechselte der bisherige Leiter des Kulturamtes – ein für das Grimmdesaster mitverantwortlicher xxxxxxxxxxxxx Xxxxxxxxxxxx – in die höhergewichtige Postion der Leitung des Hauptamtes, also in die unmittelbare Nähe des OB.
Zur Zeit steht auch die Neubesetzung der Leitung des zweiten städtischen Hauses, des Stadtmuseums, an. Der bisherige Leiter, Karl – Hermann Wegner, ein altes bewährtes Schlachtroß der Kasseler Geschichte und oft unbequemer Mahner, geht in Pension. Der dieses Haus flankierende Verein, die „Freunde des Stadtmuseums“ (ca. 1600 Mitglieder), wird seit einiger Zeit von der Gattin des ehemaligen OBs, Ministerpräsidenten, Bundesfinanzministers und gegenwärtigen MdB Hans Eichel geleitet, wobei es ihr mit diskreter Beharrlichkeit gelingt, vortrefflich die politische Linie ihres Anvertrauten in Position zu bringen.
Also ein kulturpolitischer Sieg der SPD auf ganzer Linie?
Da scheinen die Verhältnisse um das BGM und die BGG doch etwas komplexer.
Zwar ist Professor Brinckmann – ein klug und nicht parteipolitisch operierender ehemaliger Präsident der hiesigen Universität – SPD-Mitglied, doch kann er sich im Falle des BGG seiner Genossen nicht ganz sicher sein.
Neben Kassel hat die SPD auch in den nordhessischen Landkreisen gute Ergebnisse eingefahren und vor allem die Position des langjährigen Landrates Dr.Udo Schlitzberger gestärkt. Dieser ist – neben dem Grimmschankwirt und Viehmannabkömmling Bettenhäuser (SPD) – ein glühender Verehrer Dr. Lauers, der diesem – ein gerne als passionierter Kulturkenner kokettierender Machtmensch – häppchenweise die Grimmsche Märchenwelt schmackhaft macht, die einst in einem gigantischen Märchenparkprojekt enden soll.
Viele Bürger halten die Kulturdiskussion im Allgemeinen und die Grimmdebatte im Besonderen für ein eher marginales Problem. Dem ist nicht so.
Kassel erlebte seit 40 Jahren eine dramatische Deindustrialisierung, der Anteil an Dienstleistungen wuchs nicht in dem Maße, wie es sich die Politiker insgeheim erhofft hatten. Nur Schönfärber rechnen mit einer Stabilität der Arbeitsplätze im noch wichtigsten Industriebetrieb der Region, dem VW-Werk in Baunatal.
Unter diesen Umständen erscheint das Wort „Kultur“ wie ein Simsalabim, das den Weg aus der allgemeinen Beschäftigungskrise weisen kann. Bestärkt durch modische Marketingintellektuelle wie den mit einer durchaus realistischen Beurteilung des BGM jüngst hervorgetretenen Professor Klaus Siebenhaar, ergeht sich eine Schar von Provinzpolitikern in Blütenträumen von einer expandierenden Kulturlandschaft in und um Kassel herum. Man schätze den Einfluß derartiger Berater nicht zu gering ein: würde eine Expertise aus dem Hause Siebenhaar nachweisen, daß das kommunale Steueraufkommen bei gleichzeitiger Realpräsenz Grmmscher Märchenfiguren wachsen würde, würden aberdutzende von Ein-Euro-Jobber als Froschkönige durch den Bergpark Wilhelmshöhe hüpfen.
Satire?- Gewiß : aber halten wir fest: die Tendenz, die Grimms primär als Reservoir merkantiler Interessen zu nutzen wird eher zu – als abnehmen.
Für das Thema Grimm und die Philologie wird es in Kassel eng bleiben. Angesichts der fatal-verfestigten Verhältnisse in der Stadt, die en miniature dem Staatsbürger die ambivalenten Folgen einer de-facto-Allparteienkoalition vor Augen führt, vermute ich, daß sich die Position Dr. Lauers noch verfestigen wird. Zumal er mit dem OB Hilgen einen Vorgesetzen gefunden hat, der um des lieben Friedens willen selbst die eigene Autorität und Würde beschädigen läßt.
Sollte Dr. Lauer gegen Prof. Brinckmann mit einer Hiwi-Mehrheit als Präsident der BGG das Rennen machen, werden OB und die Rathausmehrheit dies als Zeichen einer demokratischen Willensbildung respektieren und damit einen Zero als Nero weiterherrschen lassen.
Sollte er unterliegen, wird man ihn als bewährten städtischen Mitarbeiter weiter streicheln und die Gelegenheit geben, seine Hauptbeschäftigung nicht in der Verbesserung des Museums, sondern in Intrigen gegen den „Brinckmann-Vorstand“ zu suchen.
Die engagierten Kritiker werden erst einmal resignieren und beim nächsten Lauer-Skandal vielleicht den einen oder anderen Leserbrief schreiben, wohl wissend gegen eine Wand anzureden.
Vor einigen Tagen sah ich einen Fernsehbericht über Walter Jens, der auf die Frage nach den wirkenden Gestalten der deutschen Kultur wie ganz selbstverständlich neben Goethe und Schiller die Grimms nannte. Wäre es allzu vermessen, eine Unterstützung von jener Reihe von „old great man (and women !)“ zu erhalten, die noch Sinn und Bedeutung des Grimmschen Werkes einschätzen können?
Kurz: Ohne kompetenten Druck von außen ist für mich die Abwendung eines langanhaltenden Desasters nicht mehr vorstellbar.

Dieser Beitrag wurde vom Forumsadministrator im Hinblick auf die 2008 / 2009 stattgefundene juristische Auseinandersetzung um Äußerungen zu Zugangsverhältnissen für die Wissenschaft im Grimm-Museum Kassel teilweise unlesbar gemacht.

Rudolf Theisen, 6. April 2006
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Neuer Kandidat für den Vorsitz der BGG
In die Diskussion um den Vorsitz der BGG ist Bewegung gekommen, da mit dem Zusenden der Einladung zur Mitgliederversammlung am 6.5.2006 eine weitere Persönlichkeit ihre Kandidatur angemeldet hat. Das betreffende Schreiben sollte hier zur Kenntnis gebracht werden.

Kassel, 23.03.2006

Sehr geehrte Herren,
für die Mitgliederversammlung am 06.05.2006 schlage ich Herrn Dieter Staubach, Berlin, für die Wahl zum Vorsitzenden der Brüder Grimm-Gesellschaft vor.
Herr Staubach ist ein international erfahrender Unternehmer mit ausgeprägten kulturellen Interessen. Er wirkte u.a. lange Jahre als Geschäftsführer der Fa. Herzlitz GmbH und war über veschiedene weitere Firmen an zahlrecihen internationalen Projekten beteiligt. Auch an der Entwicklung eines Weinbauhofes zu einer großen Fereinanlage hat er maßgeblich und verantwortlich gearbeitet.
Herr Staubach hat über seine wirtschaftlichen Aktivitäten ausgeprägte Kontakte zu Behörden in Deutschland sowie in der Europäischen Gemeinschaft aufgebaut und wird seine ganze berufliche Erfahrung vor allem für die Beschaffung von Zweit – und Drittmitteln nutzen können. Er wird seine Reputation in den Dienst der Brüder Grimm-Gesellschaft stellen, um die Arbeit der Gesellschaft auf allen Ebenen zu intensivieren, auf eine größere Basis zu stellen und vor allem das Engagement der politisch unabhängigen Bürger für dieses wichtige kulturpolitische Ziel stärken.
Seine wirtschaftlichen Aktivitäten hat Herr Staubach stets mit großem kulturellem Engagement verbunden, es ging ihm nie um den geschäftlichem Erfolg allein, sondern immer auch um die Vermittlung kultureller Werte und künstlerischer Ideen.
Nach meiner Einschätzung ist Herr Staubach für das Amt in besonderer Weise qualifiziert, da er über reiche Erfahrungen und wichtige Kontakte verfügt und frei ist von jeglicher Einflußnahme durch Gruppierungen und Parteien.
Mit freundlicher Empfehlung

Ingo Günther

Der Brief ist handgeschrieben und teilt gedruckt neben dem Namen des Verfassers die Adresse mit:
Franzgraben 6-8, 34125 Kassel
Ruf: 0561.87906 10

Anzumerken wäre folgendes:
die Adresse ist identisch mit der der Firma
August Truss GmbH&Co.KG
Franzgraben 6 – 8
34125 Kassel
Tel. 0561/87908 – 0
Die Firma ist im Zusammenhang mit Aktivitäten des BGM im Internetthread der HNA schon in Erscheinung gebracht worden.

Während der 70erJahre zur Oppositionszeit der CDU/CSU pflegte Franz-Josef Strauß auf Ambitionen auf die Kanzlerschaft zu sagen : „Es ist egal wer unter mir Kanzler wird!“ Dr. Lauer hat offensichtlich beschlossen, das Repertoire des Grimm-Museums noch durch Marionettentheater zu erweitern und man muß leider sagen, daß ihm dies wahrscheinlich gelingen könnte. Liebhaber Lauerscher Hermeneutik mögen sich in den Text vertiefen, das Geschick bei der Positionierung der geeigneten Versatzstücke ist immer wieder beeindruckend. Es bleibt dabei: der Fall Lauer droht zum Fall Hilgen zu werden. Ich empfehle dem auswärtigen Publikum, diese peinlichen Notizen aus der Provinz weiter zu verfolgen.
Eine zweite Voraussage :
die seriöse Grimmforschung wird nicht mehr in Kassel stattfinden.

Rudolf Theisen, 7. April 2006
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Zur Staubach-Kandidatur: Ein Zwischenruf
Um dem Vorwurf des Pessimismus entgegenzutreten, hier noch eine kurze Einschätzung zu dem gestern von mir mitgeteiltem Sachverhalt:
Dieter Staubach ist wohl als Kandidat der „Grimm-Kommerz-Fraktion“ einzuschätzen und somit – trotz der beteuerten Parteiferne und Unabhängigkeit – für die SPD des Landkreis Kassel ein mehrheitsfähiger Kandidat. Das längere Zeit grassierende Gerücht, der Schankwirt Bettenhäuser (SPD) wäre ein möglicher Kandidat für die Präsidentschaft hat sich damit nicht bestätigt, obwohl es interessant gewesen wäre zu erleben, wie OB Hilgen et.al. eine solche Peinlichkeit geschluckt hätten. Aber : was für den Landkreis gut ist, kann für die Stadt nicht schlecht sein.
Es zeichnet sich ab, daß nicht Herr Brinckmann, sondern Her Staubach der Kompromißkandidat ist. Ich bitte, die Devise des OB ernstzunehmen, so weiter zu machen wie bisher. Auch für den Lauerfreund T.E.Junge, Bürgermeister, Müllbeauftragter und Kulturdezernent (CDU) ist diese Lösung voll akzeptabel.
OB Hilgen wird einer Wahl Lauers zum Präsidenten mit Hilfe der Strohpuppe Staubach – eine Kunstfigur, die ab sofort als „Laubach“ eingeführt ist – keinen Widerstand entgegensetzen. Er wird und kann nicht anders entscheiden, als zuzustimmen. Zumal er in seiner bürokratischen Korrektheit nichts mehr fürchtet, als zu einer Streitfrage Farbe bekennen zu müssen.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob Herr Brinckmann die Vorgänge kennt, bzw. überhaupt wahrnimmt. Zu seinen Gunsten will ich annehmen, daß er kein zweideutiges Spiel betreibt. Wer die SPD von innen her kennt weiß, wie stark affektiv diese Partei auch als „politische Heimat“ verstanden wird, und somit die Frage nach der Loyalität nicht irrelevant ist:
Loyalität zur Partei oder zur Sache?
Ich betone nochmals: es ist schade, daß die Vorgänge nur in einem kleinen Rahmen verhandelt werden, da hier auch kulturpolitisch weitergehende Probleme aufgeworfen worden sind:
einmal läßt sich das Mißverhältnis zwischen überspanntem kulturellen Qualitätsanspruch und den fortgesetzten mageren Ergebnissen hier konkret studieren,
dann muß gefragt werden, wie weit der Einfluß von Poltikern auf kulturpolitische Entscheidungen definiert werden soll.
Abgewartet werden muß auf die kommenden Ausgaben des Lauerschen Referenzorgans „Extra – Tip“, der den neu gefundenen Wunderkandidaten sicher mit dem bekannten Getöse der Kasseler Öffentlichkeit präsentieren wird.

Rudolf Theisen, 8. April 2006
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Grimm-Beruhigung als Aufgabe der Stadt
In der HNA von heute findet sich ein Kommentar von Dirk Schwarze, der online nicht verfügbar ist, jedoch allen Grimm-Forschern bekannt werden sollte:

Noch keine Beruhigung
Dirk Schwarze über die Grimm-Gesellschaft

Die Hoffnung trog, mit der Beauftragung von Hans Brinkmann als Moderator sei der Konflikt in der Grimm-Gesellschaft halbwegs überwunden. Der Restvorstand und die ihn tragenden Mitglieder geben nicht auf.
Man könnte die Auseinandersetzung leicht als vereinsinternen Streit abtun, wenn der Personen- nicht zugleich ein Richtungsstreit wäre. Der Ruf und die wissenschaftliche Zukunft der Grimm-Gesellschaft stehen auf dem Spiel. Insofern ist der Konflikt ein öffentlicher. Pikant wird die sich für den 6. Mail abzeichnende Konfrontation dadurch, dass Lauer mit seinem Beharren auf der Doppelfunktion als Museumsleiter und Geschäftsführer seine Vorgesetzten, den Oberbürgermeister und Kulturdezernenten, herausfordert. Die hatten es anders gewollt. Sie müssen nun in dem Konflikt Farbe bekennen.

Alexandra Marheineke, 10. April 2006
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Kandidat Staubach
Im Antrag von Ingo Günther, Franzgraben 6-8, 34125 Kassel*, an die Mitgliederversammlung der Grimm-Gesellschaft heisst es:

schlage ich Herrn Dieter Staubach, Berlin, für die Wahl zum Vorsitzenden der Brüder Grimm-Gesellschaft vor.
Herr Staubach ist ein international erfahrener Unternehmer mit ausgeprägten kulturellen Interessen. Er wirkte u. a. lange Jahre als Geschäftsführer der Fa. Herzlitz und war über verschiedene weitere Firmen an zahlreichen internationalen Projekten beteiligt. Auch an der Entwicklung eines Weinbauhofes zu einer großen Ferienanlage hat er maßgeblich und verantwortlich gearbeitet.

Erhänzend zu den im Forum der HNA, , bereits eingebrachten Internetrecherchen habe ich folgendes festgestellt:
1. In den maßgeblichen Berliner Web-Angeboten Berlin.de und Berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/ (Archiv der „Berliner Zeitung“ seit 1994) ist Herr Staubach nicht auffindbar. Das heisst, dass er mit seinen internationalen Aktivitäten, insbesondere auch solchen auf kulturellem Gebiet, in Berlin nicht mit Spuren präsent ist. Vielleicht legt er Wert auf Diskretion. Will er aber gewählt werden, sollte er deutlicher machen, durch welche Fähigkeiten und Erfahrungen er geeignet ist, in der jetzigen sehr schwierigen Situation das Amt des Grimm-Präsidenten zu übernehmen.
2. Die Aussagen zu Ferienanlage / Weinbauhof Staubachs lassen sich im Internet ebenfalls nicht verifizieren. Es ist allerdings auch unklar, was die Ferienanlage mit dem angestrebten Amt zu tun hat. Nächste Mitgliederversammlung dann dort, wenn er die Wahl gewinnt?

*Wie oben von Theisen angemerkt wurde, handelt es sich um die Firmenadresse der Installateure Truss in Kassel; das Unternehmen wurde, wie im HNA-Forum steht, durch eine Kunst-ABM des Grimm-Museums vor einem finanziellen Einbruch und vor Kurzarbeit bewahrt und ist seitdem an der Grimm-Gesellschaft besonders interessiert. Teilnehmer der letzten Mitgliederversammlung berichten, dass Mitglieder aus dieser Klientel sich dort mit lautstarken Pöbeleien hervorgetan hätten.

milatosSO36, 11. April 2006
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Internet-Recherche
Herr Staubach ist z.B. Mitglied im Vorstand der „Freunde und Förderer des Hauses am Waldsee e.V.“ in Berlin.
siehe: http://www.hausamwaldsee.de/mitglieder.php

Was Tun, 3. Mai 2006
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Dieter Staubach neuer Präsident der BGG
In der mit Spannung erwarteten Mitgliederversammlung der BGG am gestrigen Samstag hat eine deutliche Mehrheit die Frage nach der Notwendigkeit von Reformen verneint. Wie in den letzten Tagen im HNA-Forum vermutet, hat Dr. Lauer mit großer Entschlossenheit seine Position nicht nur behauptet, sondern auch noch ausgebaut. Der von ihm favorisierte Berliner Unternehmer Dieter Staubach konnte sich mit 116 Stimmen gegen den früheren Kasseler Universitätspräsidenten Brinckmann (81 Stimmen) bei 12 Enthaltungen deutlich durchsetzen. In den folgenden Wahlen zogen die Kandidaten des „Reformlagers“ ihre Kandidatur zurück, so daß nun ein rein Lauer-dominierter Vorstand installiert wurde. Lauer selbst erhielt als Geschäftsführer 132 Stimmen (53 Nein, 29 Enthaltungen).
Aus der Fülle der Details hier einige Impressionen:
Der Vorstellung der Kandidaten folgte die Mehrheit eher lustlos, die Stimmung ließ frühzeitig eine bereits festgelegte Majorität erkennen. Brinckmann wiederholte seine in den Anlagen formulierten Positionen und stellte eine „Zukunftskonferenz“ in Aussicht. Staubach, dessen sprachlicher Duktus sich verblüffend an die Versatzstückrhetorik des Museumsleiters anlehnte, begründete seine Nähe zu den Grimms mit Nekrophilem. Neben dem Blick auf die Grimm-Gräber aus seinem Zimmer in Berlin nutzte er in der Dankesrede das Bild von den „im Grabe rotierenden Brüdern“ angesichts der gegenwärtigen Zustände, ein Bild, das der Verfasser dieser Zeilen sich hinsichtlich dieses Präsidenten auch gern zu Eigen machen möchte.
Die Einlassungen Dr.Lauers strotzten vor selbstbewußtem Stolz hinsichtlich des Geleisteten der letzten 16(!) Jahre und – natürlich – voller Abscheu über Pressekampagnen gegen seine Person. Professor em. Bleek, der sich mehr und mehr zum Psychopompos des waidwunden Museumsleiters entwickelt, nahm seinen Schützling mit der von ihm bekannten intellektualisierenden Weitschweifigkeit in Schutz. Lauer räumte in zerknirschter Pose abschließend ein, daß auch er ein Mensch sei, ergo Fehler mache, sich zur Zeit aber vermutlich in einer „Mitleidscrisis“ befände, um damit auch noch einen Beitrag zum Sigmund Freud-Jahr zu leisten.
Ein TV-Team mußte den Saal während der Aussprache verlassen, nachdem es mit wachsender Begeisterung den schreinartig drapierten Tisch mit Publikationen aus dem Verlagshause Lauer gefilmt hatte.
Mitglieder der Reformfraktion mühten sich vergeblich, einem argumentativem Diskurs Bahn zu brechen.
Höhe – wie zugleich Tiefpunkte waren die Auftritte der Herren Hilgen (OB) und Junge (Kulturdezernent), die fälschlicherweise annahmen, ihre Argumente würden in die Entscheidungfindung der Mitgliederschaft einfließen. Halten wir fest: es ist das zweite Mal, daß von einem egomanischen Mitarbeiter die Autorität des OB in aller Öffentlichkeit in Frage gestellt worden ist. Kann ein Politiker von einigem Anstand und Format auf die Dauer solche Demütigungen über sich ergehen lassen?
Der Ablauf der „Krisenbewältigung“ seit dem November provoziert doch folgende Alternative:
Entweder ist Brinckmann bewußt als Kandidat verheizt worden, dann muß dieser es mit seinen zynischen Parteigenossen ausmachen,
oder wir sind Zeuge eines Regierungsstils, der nurmehr als dilettantisch, blauäugig oder fahrlässig zu bezeichnen ist. Letzteres müßte jeden Kasseler Bürger interessieren. Die BGG mag ein kleines Problem sein, ihre jetzt eingeschlagene Entwicklung in einen marginalen Heimatverein mit flankierenden Emeriti, mäßig begabten Provinzkünstlern und Kneipenbetreibern ist für das Schicksal der arg gebeutelten Kommune Kassel eher zweitrangig. Mir scheint aber, daß hier ein Moment von politischem Nicht-Handeln deutlich wird, das man beim Auftreten gravierender politischer Probleme einmal bitter bezahlen wird.
Die voll Abscheu inkriminierten Internetforen haben vorausgesagt, was eingetreten ist. Und der letzte Satz des voller Ekel zitierten“Speigel“-Artikels trifft es : „Die Posse geht weiter“ – wenn sie nicht noch zur Tragikomödie mutiert.
P.S.
Für den kleinen, feinen und ständig wachsenden Kreis der Lauer-Bibliophilen hier zwei Hinweise:
Das neue Jahrbuch ist erschienen und zirkulierte am Rande der Veranstaltung – ich weise schon jetzt auf eine Innovation hin: statt Leinenbindung praktisch biegbarer Karton, wieder ein Zweijahresband von 160 Seiten.
Für die Liebhaber der ELFE ein kleiner Leckerbissen:
Dr. Lauer erwähnte, daß die Weisgerber-Habilitation jetzt „in Vorbereitung“ sei, was prompt den anwesenden Prof.em.Weisgerber jr. zu einer heftigen Attacke auf die gemeinen Heckenschützen gegen Dr. Lauer veranlaßte.
Mit Speck fängt man Mäuse…

Rudolf Theisen, 7. Mai 2006

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Reformpozess am Ende?

Die Kasseler Postille „Extra-Tip“ des Chefredakteurs Klaus Becker, eines langjährigen Wegbegleiters von Museumsleiter Dr. Bernhard Lauer, trat am heutigen Mittwoch mit einer Bilanz der bisherigen Reformbemühungen hervor. Zwar sendete das Fernsehen des HR gestern einen kritisch-ironischen Beitrag über die Kasseler Grimm-Miseren, aber vor Ort scheint jene Sicht weit verbreitet, die der neue Artikel des Anzeigenblatts vermittelt. Die Argumentation desjenigen Lagers in der Grimm-Gesellschaft, das die bisherigen Zustände und Dr. Lauer als Geschäftsführer beibehalten wollte, ging und geht in eine ähnliche Richtung. Der Wunsch, es ‚der Politik zu zeigen‘, ‚die ohnehin zu wenig tut und über den mündigen Bürger hinwegregiert‘, scheint (neben persönlicher Solidarität dem bedrängten Lauer gegenüber und der Mentalität einer Burgbesatzung im Belagerungszustand) ein wesentlicher Faktor dabei gewesen zu sein, dass die Entscheidungen der Grimm-Gesellschaft so gefallen sind, wie R. Theisen in seinem Beitrag bereits berichtet hat.
Das Anzeigenblatt „Extra-Tip“ war mit einer ganzen Kette von Artikeln an der Entwicklung der letzten Monate beteiligt und hielt konsequent die Linie Lauers. Es spricht auch vieles dafür, dass Redakteur Becker seine Artikel mit Lauer vorbespricht. Der heutige Artikel, womöglich ein Schlusspunkt unter die Reformbemühungen der letzten Monate – und ein stilechter! – sei auch hier dokumentiert. Ich übernehme ihn aus dem Forum der „Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen“, http://forum.hna.de/forum/viewtopic.php?pid=14619#p14619. Auf der Website des „Extra-Tip“, http://www.extratip.de, ist der Artikel (noch) nicht verfügbar.

Zwischenruf – Von Gestern

Von Klaus Becker

Hätten sich Kassels Bürger- und Medien häufiger so intensiv um die Brüder Grimm gekümmert wie in den letzten Wochen, dann wäre die Ausstrahlung des berühmten Brüderpaares sicherlich noch viel wirkungsvoller als bisher. Doch da überschatteten erstmal Streitigkeiten und Querelen das Gedenken an Kassels große Geisteshelden aus dem 19. Jahrhundert. Irgendwie waren auch diese Streitigkeiten märchenhaft. Denn hinter den Konflikten von heute verbargen sich Konflikte, die eigentlich vor mehreren Jahrzehnten schon ausgetragen wurden. Betrachtet man die Ursachen für das Scheitern jener Gruppe, die zum Kampf gegen den Grimm-Museumsleiter Dr. Bernhard Lauer aufrief, dann finden sich dort auch Gründe für ihr Scheitern in den frühen 90er Jahren. Hochmut und völliger Unkenntnis dessen, was die Menschen tatsächlich denken und bewegt. Man konnte sich ja nur erstaunt die Augen reiben: Da machte sich jene Fehleinschätzung breit, und wieder spielte dabei der frühere OB Bremeier mit seinem „Kulturnetzwerk“ eine entscheidende Rolle bei dieser falschen Analyse und den auf sie folgenden Schritten. Lauer-Gegner wähnten sich eine Zeitlang sicher. Sie wurden dabei von Medien massiv unterstützt, die damit ihre Niederlage vorbereiteten. Auf lokaler Ebene oder noch krasser in den Berichten der überregionalen Medien wie in jenem dümmlich-arroganten Artikel des „Spiegel“, der Lauer-Anhänger allesamt zu „Klofrauen und Vitrinenwächtern“ einstufen wollte.
Jetzt muss ein Neuanfang gemacht werden. Die Tatsache, dass mit Dieter Staubach nun ausgeprägter Techniker an der Spitze der Grimm-Gesellschaft steht, ist für diese Geschäft eine Chance. Damit könnte sie herauskommen aus jenem grotesken Intrigenspiel, das die Geisteswissenschaften nur allzuoft prägt.
Auf die Nase fielen auch jene Vertreter des Kasseler „Bürgertums“, die sich auf geradezu peinlich-unterwürfige Weise dem Anti-Lauer-Lager andienten. Aufgeblasenen Wichtigtuer und billige Intriganten, die offenkundig überhaupt keine Resonanz finden.
Wie es weitergeht? Gewinnen wird der, der das größte Maß an Lernfähigkeit entwickelt. Sich den Blick nicht verstellen lässt. Kassels OB hatte sich auf der falschen Seite eingeordnet. Nicht weil es ihm an klarem Blick fehlte, sondern weil er auf die falschen Ratgeber hörte. Immer noch gibt es Leute, die sich nicht mit dem Willen mündiger Bürger abfinden können. Und wenn die nicht lernen wollen, müssen sie wohl noch einige Niederlagen einstecken.

(Zitat: „Extra-Tip“ Kassel, Ausgabe vom 10. Mai 2006.)

milatosSO36, 10. Mai 2006

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Ein Dokument zur Geistesgeschichte Kassels

Milatos hat den Kommentar Klaus Beckers aus dessen Extra Tip dankenswerterweise einem auswärtigem Publikum zugänglich gemacht. Die besondere Qualität dieses Textes liegt darin, daß er geradezu exemplarisch das Reflexionsniveau vermittelt, mit dem in dieser Stadt permanent zu rechnen ist. Herr Becker begann in jungen Jahren als Pressesprecher des OB Karl Branner seine Karriere. Dessen Nachfolger Hans Eichel trennte sich von ihm aus Gründen, die bis heute undurchsichtig geblieben sind, aber bei Becker offensichtlich eine bis heute anhaltende Verletzung ausgelöst haben. Als Trostpflaster durfte er für die SPD, der er bis heute angehören soll, eine Mitgliederzeitung für den Bezirk Nordhessen gestalten. Nachdem diese von der Partei eingestellt worden war, gelang ihm mit dem – kostenlos verteilten – Extra Tip eine erfolgreiche Unternehmung, die als Alternative zur HNA sofort große Beliebtheit erlangte. Becker wiederholt in manischer Weise Themata wie: tatsächliche und vermutete Verfehlungen im öffentlichen Dienst (vor allem finanzielle Verschwendung), Faulheit und Inkompetenz von Lehrern und Professoren, verbunden mit einem abstrakten Lamentieren über den Zusammenbruch von Werten und guten Sitten im Zusammenhang mit dem Einfluß der „Alt-68er“ in Kultur und Erziehung.im Allgemeinen und seiner Genossen im Besonderen. Diese – zum Teil durchaus berechtigte – Kritik erfolgt nun nicht im Kontext eines reflektierten liberal-konservativen Weltbildes, sondern im Rahmen eines ad-hoc-Populismus, der modische Versatzstücke beliebig kombiniert und zur Erzeugung publikumswirksamer Empörung auch Ausflüge in offene Vulgarität nicht scheut. Damit ist umrissen, in welchen intellektuellen Umfeld die Lauergruppe angekommen ist und mit welchem Geschick sich Dr. Lauer im Geflecht politischer und persönlicher Neurosen eingerichtet hat. Für den auswärtigen Betrachter macht die Auseinandersetzung zumindestens plausibel, warum mit einer seriösen Grmmforschung aus Kassel in absehbarer Zeit nicht mehr zu rechnen sein wird. Dr. Lauer ist Jahrgang 1954. Unter Zugrundelegung der gegenwärtigen Pensionsregelungen erfolgt das Ende seiner Dienstzeit im Jahre 2019. Realisten können dann mit einer Wiederaufnahme der Reformdiskussion rechnen.Wir sehen uns wieder.

Rudolf Theisen, 11. Mai 2006

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Grimmforschung geht weiter

Jetzt da Sie verloren haben, sollten sie zur Kenntnis nehmen dass in Kassel unbeirrt weitergemacht wird. Hier können Sie auch lesen dass Herr Dr. Lauer perfekt russisch spricht und intensiv die Myten und Sagen der slavischen Länder kennt.

Extra-Tip v. 17.05.2006

Kassel als Vorbild für fernen Ural

Beeindruckte die Gäste aus dem fernen Osten Russlands nicht nur mit seinen perfekten russischen Sprachkenntnissen, sondern auch durch seine intensiven Kenntnisse der Mythen und Sagen der slawischen Länder: Museumschef Dr. Bernhard Lauer mit seinen Gästen aus der russischen Republik Baschkortostan im Grimm-Museum. Links: Ewald Griesel.

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Der Name der russischen Republik Baschkortostan dürfte bisher den meisten Nordhessen fremd geblieben sein. Mit reichen Bodenschätzen gesegnet, dazu eine herrliche Gebirgslandschaft. Wie man all das touristisch besser vermarktet, wollen die Dozenten und Studentinnen wissen, die als Gäste der Akademie für Absatzwirtschaft Kassel (AfAK) einen intensiven Besuch in Nordhessen absolvierten.

Die russischen Gäste zeigten sich beeindruckt, als ihnen Thermen-Geschäftsführer Hendrik Schellinger vom Erfolg der Kurhessen-Therme berichtete – gibt es doch im Ural jede Menge von Heilquellen, die man touristisch nutzen will. Karl Görnhardt führte die Gäste aus dem fernen Land bei einem Rundgang durch den Tierpark Sababurg, bei dem besonders die Greifvogel-Vorführung einen tiefen Eindruck machte. In Niederzwehren und auf der Knallhütte orientierte man sich über Dorothea Viehmann. Beeindruck seien die Gäste gewesen, so Ewald Griesel, Vorsitzender des AfAK-Trägervereins, durch den im perfekten Russisch gehaltenen Vortrag von Grimm-Museumschef Dr. Bernhard Lauer, und zudem dessen große Kenntnis über Mythen und Sagen der slawischen Länder.

Grimmfreund, 18. Mai 2006

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Es gibt nun doch etwas Bewegung. In der Kasseler Lokalzeitung HNA vom 21.6.2006:

„Habe einen Ruf in der Welt“
Grimm-Museumsleiter Bernhard Lauer will Geschäftsführerposten abgeben

Von Christina Hein

KASSEL. Dr. Bernhard Lauer wird bis Ende des Jahres von seinem Posten als Geschäftsführer der Brüder-Grimm-Gesellschaft zurücktreten. So lautet eine Abmachung zwischen dem Literaturwissenschaftler und der Rathausspitze. Und das seit längerem.

In der Doppelrolle Lauers als Leiter des städtischen Brüder-Grimm-Museums und gleichzeitig Geschäftsführer der Grimm-Gesellschaft sieht Bürgermeister Thomas-Erik Junge ein „großes Problem“. „Wir wollen das entflechten“, sagt Junge gegenüber der HNA, „auch im Namen von Oberbürgermeister Bertram Hilgen“, der außerdem Kuratoriumsvorsitzender ist.

Stefan Lange, 22. Juni 2006

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In einem Brief an die Kasseler Lokalzeitung dementierte Museumsleiter Dr. Lauer, von seiner ehrenamtlichen Funktion als Geschäftsführer der Brüder Grimm-Gesellschaft zurücktreten zu wollen, wie es die HNA nach einem Gespräch u. a. mit ihm und Kulturbürgermeister Junge gemeldet hatte. Ob er zurücktreten werde, hänge von Entscheidungen in Sachfragen ab. Junge kündigte daraufhin eine Sitzung des für das Grimm-Museum zuständigen Kuratoriums an. Der Bericht der HNA über den Brief Lauers im Wortlaut:

Lauer auf Konfliktkurs
Chef des Grimm-Museums: Gebe Posten in Grimm-Gesellschaft erst mal nicht auf
Von Tibor Pézsa
KASSEL. Der Leiter des Brüder-Grimm-Museums, Dr. Bernhard Lauer, hat gestern bestritten, dass er bis Jahresende als Geschäftsführer der Brüder-Grimm-Gesellschaft zurücktreten wolle. So hatte es unsere Zeitung am Donnerstag nach einem gemeinsamen persönlichen Gespräch mit Lauer, Kulturdezernent Thomas-Erik Junge und Stadtsprecherin Petra Bohnenkamp gemeldet. Entgegen Lauers Darstellung bestätigten aber Junge und Bohnenkamp gestern die Richtigkeit der HNA-Berichterstattung.
Wie berichtet, wollen Oberbürgermeister Bertram Hilgen und Junge die Doppelfunktion von Bernhard Lauer auflösen. Das geht nur, indem Lauer entweder seinen Posten als Museumschef aufgibt oder seine Funktion in der Grimm-Gesellschaft.
Die Debatten um seine Person hatte Lauer selbst ausgelöst, als er versucht hatte, zusätzlich zu seinem Geschäftsführer-Posten auch noch Präsident der Grimm-Gesellschaft zu werden. Damit wäre er sein eigener Chef geworden, denn der Präsident der Grimm-Gesellschaft bildet neben dem Oberbürgermeister und dem Kulturdezernenten das Kuratorium des Brüder-Grimm-Museums. Nach heftigen Querelen um seine Person war Lauer unlängst auf einer Mitgliederversammlung wieder zum Geschäftsführer der Grimm-Gesellschaft gewählt worden.
Lauer machte gestern in einem Schreiben an die HNA deutlich, dass er „als Person der Sache der Brüder Grimm nicht im Wege stehen werde“. Das heißt für ihn aber offenbar nicht das, was Junge und Hilgen von ihm erwarten.
Lauer schreibt: „Ob und wann ich meine ehrenamtliche Funktion als Geschäftsführer der Brüder-Grimm-Gesellschaft zur Verfügung stellen werde, wird davon abhängen, wie die anstehenden Sachfragen entschieden werden.“
Als „Sachfragen“ nennt Lauer beispielsweise den „Ausbau des Grimm-Standortes Kassel, die Verwaltung der Sammlungen, wissenschaftliche und publizistische Konzepte“. Damit setzt sich der Museumschef einmal mehr in einen scharfen Gegensatz zu der Forderung des Kulturdezernenten und des Oberbürgermeisters. Bertram Hilgen und Thomas-Erik Junge mochten gestern auf Anfrage der HNA keine Stellung zu dem Vorgang nehmen. Es werde aber „umgehend“ eine Sitzung des Kuratoriums der Brüder-Grimm-Gesellschaft einberufen, „in der die Folgerungen aus der derzeitigen Situation erörtert werden.“
23.06.2006

http://www.hna.de/kasselstart/00_20060623201459_Lauer_auf_Konfliktkurs.html

Bonoboche, 24. Juni 2006

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Alles wird gut …

http://www.grimmnetz.de/grf/grimmskoch.jpg

(Ausschnitt und Bild: Extratip Kassel)

Jeanne d’Arc, 5. Juli 2006