Berthold Friemel, 9. März 2014
Schlagwort: Grimm-Nachfahren
Mehrere hundert Kunstwerke, Gebrauchs- und Erinnerungsgegenstände aus der Familie Grimm, die sich bisher noch bei den Nachfahren Wilhelm und Dortchen Grimms befanden, sind seit 2006 in Kassel zusammengeführt worden. Zunächst gelangte die Sammlung von Wilhelm Grimms Urenkel Marko Plock nach Kassel. Marko Plock ist 2012 verstorben. Inzwischen kam der Grimm-Besitz des anderen Familienzweiges hinzu. Dessen Ankauf wurde durch eine Spende der Kasseler Sparkasse ermöglicht, an deren Sitz der Bestand am 3. September 2013 öffentlich vorgestellt wurde. Die Gegenstände befinden sich im Eigentum des Brüder-Grimm-Platz e. V. Kassel. Der Verein wird sie als Dauerleihgabe in das vorbereitete neue Grimm-Museum ("Grimm-Welt") in Kassel einbringen. Der Grundstein für das neue Gebäude wurde vor einigen Wochen gelegt.
Ein Inventar der Grimm-Bestände aus Familienbesitz wurde im "Brüder Grimm Gedenken", Bd. 17 (2012), veröffentlicht.
Berichterstattung des Hessischen Rundfunks über den Familienbestand:
http://www.hr-online.de/website/rubriken/kultur/index.jsp?rubrik=5986&key=standard_document_49525589
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Berthold Friemel, 21. September 2013
Mit Band 17 kehrt das Brüder Grimm Gedenken nach Hessen zurück. Ein Tagebuch Wilhelm Grimms aus den Kasseler Jahren 1820 bis 1822 stellt in Text und Kommentar wesentliche biographische Informationen erstmals zur Verfügung. Unter den hessischen Autoren des Bandes ist Wilhelm Grimms Urenkel, der über Grimm-Überlieferungen der Familie schreibt. Bisher noch im Besitz der Nachfahren verbliebene Grimm-Bestände werden in einer Übersicht und in Beispielen vorgestellt.
Den soeben erschienenen Band stellen wir gemeinsam mit den Bänden 4 und 6 der Edition Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Kritische Ausgabe in Einzelbänden am Dienstag, dem 18. Dezember, in Berlin öffentlich vor. Mit der Veranstaltung wird die Vortragsreihe zur Ausstellung Rotkäppchen kommt aus Berlin! 200 Jahre Kinder- und Hausmärchen in Berlin abgeschlossen.
Im Band 4 der Briefedition sind Briefwechsel der Brüder Grimm mit T. G. von Karajan, W. Wackernagel, J. H. Wyttenbach und J. Zacher zu mediävistischen Themen enthalten. Band 6 vereinigt die Briefwechsel der Brüder Grimm mit R. Hildebrand, M. Lexer und K. Weigand als den wichtigsten unmittelbaren Fortsetzern des Deutschen Wörterbuchs.
Eine Verbindung zwischen den drei Büchern ist der sensationelle Fund eines angeblichen althochdeutschen Kinderliedes in Wien 1858, dem Jacob Grimm noch kurz vor seinem Tod einen Akademievortrag widmen wollte. Sein Entwurf dazu ist im Brüder Grimm Gedenken 2012 veröffentlicht. Das althochdeutsche Schlummerlied gilt seit langem als Fälschung. Zur Buchvorstellung spricht Michael Gebhardt (Innsbruck) über Georg Zappert als Fälscher und Jacob Grimm als sein Opfer.
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Berthold Friemel, 13. Dezember 2012
Die Kasseler Lokalpolitikerin Eve Rotthoff, Präsidentin des Rotary-Clubs Kaufungen-Lossetal, schrieb in diesen Tagen einen Brief an Honoratioren in Kassel, in dem sie sich ablehnend mit den Initiativen für eine Grimm-Arbeitsstelle an der Universität Kassel, für die Gewinnung des ehemaligen Wohnhauses der Brüder Grimm am Wilhelmshöher Tor als museale Grimm-Stätte, zum Ankauf von Museumsgegenständen aus der Familie Grimm durch den Brüder-Grimm-Platz e. V. und mit der Welterbe-Resolution der IHK Kassel auseinandersetzt.
Hier sei auf den Grimmschen Familiennachlass und konkret auf das darin enthaltene Bild „Im Ahnegraben“ eingegangen:
Zu den dank der Kooperation mit den Nachfahren Wilhelm und Dortchen Grimms möglich gewordenen Erwerbungen für Kassel führt Frau Rotthoff aus:
Der in der Lokalzeitung HNA gewählte Titel zur ‚Heimkehr‘ eines Grimm-Nachlassbestandes ist wohl doch nicht so falsch, wie Frau Rotthoff meint, weder im realen noch im symbolischen Sinn. Der erworbene und der noch zu erwerbende Teil des Bestandes enthalten zahlreiche Gegenstände, die in die Kasseler Jahre der Brüder Grimm oder in noch frühere Perioden der Familiengeschichte datiert werden können.
Zu den auf Kassel bezüglichen Gegenständen gehört auch das von Frau Rotthoff genannte Bild (Öl auf Leinwand, nicht signiert oder datiert, sichtbare Bildfläche ungefähr b 26 cm, h 21 cm), zu dem in der Familie der Grimm-Nachfahren der Titel „Im Ahnegraben“ überliefert ist und das dort als ein Altersbild Ludwig Emil Grimms gilt:
Frau Rotthoff merkt an, dieses Bild, das auf einer unlängst erschienenen Postkarte gezeigt wird, bestätige den Eindruck, dass der erworbene Grimm-Bestand mehrheitlich nicht aus Kassel oder Hessen stamme und mit den Brüdern Grimm unmittelbar nichts zu tun habe. Das andere Beispiel, das sie dafür anführt, ist die Kopie eines altdeutschen Bildes aus der Sammlung Boisserée, die Achim von Arnim für seine Braut Bettine anfertigen ließ und die später in den Besitz der Familie Grimm gelangte (hierzu bereits ein anderer Beitrag im Grimmforum). Auf der Postkarte zum „Ahnegraben“ heißt es rückseitig:
Die Zuschreibung bezieht sich auf die Familienüberlieferung. Diese bleibt bei der Erforschung der Gegenstände solange von Gewicht, wie sie nicht durch andere Erkenntnisse widerlegt werden kann. So zu verfahren, hat bei der bisherigen Erforschung des erworbenen Bestandes oder auch der zu ihm in engem Zusammenhang stehenden Grimmiana des Museums Haldensleben bereits zu beachtlichen Fortschritten bei der Datierung und Zuordnung von Gegenständen geführt (etwa im Fall der Standuhr im Museum Haldensleben, die sich bereits seit der Steinauer Zeit in der Familie Grimm befand).
Es hat sich auch gezeigt, dass die mündliche Überlieferung bei der bisherigen Pflege der aus der Familie Grimm stammenden Gegenstände auf bedauerliche Weise vernachlässigt wurde. Hier gilt es nachzuholen, was jetzt noch möglich ist.
Was die familiäre Zuschreibung des Bildes „Im Ahnegraben“ betrifft, hat sich bisher noch kein entscheidendes Argument gefunden, sie zu entkräften. Bisherige kunsthistorische Expertisen erbrachten eine Datierung in die erste Hälfte oder die Mitte des 19. Jh. und einen für Ludwig Emil Grimm eher untypischen Malstil; die Wahrscheinlichkeit, dass die familiäre Überlieferung korrekt ist, wurde mit etwa 50 % bewertet.
Die neue Expertise Frau Rotthoffs, dass das „Gemälde mit dem ‚Ahnegraben‘ mit Sicherheit (vgl. Malweise, Perspektive, Sujet) nicht von Grimm ist“, erscheint angesichts mehrerer anderer eingeholter Meinungen fragwürdig. Niemand sonst hat sich bisher so apodiktisch dazu geäußert, und man darf sich wundern, woher Frau Rotthoff die Kompetenz dazu nimmt.
Was das Sujet, das Flüsschen Ahna in und bei Kassel, betrifft, lässt sich folgendes entgegnen:
Dieses tatsächlich bei Ludwig Emil Grimm mehrfach vorkommende Sujet ist vielmehr ein Anzeichen dafür, dass die Familienüberlieferung zutreffen könnte; dazu kann man verweisen auf ein Bild „Im Ahnegraben nach der Natur gezeichnet in Wf.“ (Wasserfarben), Juli 1830, 24 x 26 cm, ehemals im Besitz der Nachfahren L. E. Grimms (entspricht in den Maßen dem vom Brüder-Grimm-Platz e. V. erworbenen Bild); s. a. Koszinowski / Leuschner L 168 (Weg an der Ahna mit Blick auf den Herkules, Federzeichnung, 1822), sowie L 241, 1829?, Feder; vgl. ferner Stoll Nr. 221, dazu Freund S. 100.
Zur Provenienz des Grimmschen Familiennachlasses, dessen Erwerbung der Brüder-Grimm-Platz e. V. vorantreibt, äußert sich Eve Rotthoff mit ähnlicher Bestimmtheit:
Diese Aussage Eve Rotthoffs ist lediglich teilweise richtig.
Der Familiennachlass, um den es derzeit geht, befand sich nur zum Teil im Besitz des Genannten; dieser Anteil wurde bereits vom Brüder-Grimm-Platz e. V. erworben. Ein weiterer, umfangreicherer Teil, dessen Inventarisierung vor Ort noch andauert, befindet sich im Besitz eines anderen Familienzweiges. Einige besonders herausragende der schon vom Brüder-Grimm-Platz e. V. erworbenen und sämtliche künftig noch zur Erwerbung vorgesehenen Grimmiana standen bisher noch nie für öffentliche Sammlungen zur Verfügung, sondern wurden bewusst in der Familie behalten.
Schon die Tatsache, dass die Verfasserin des Briefes von dem größeren Teil nichts weiß, schränkt die Plausibilität ihrer Aussagen erheblich ein.
Zu dem Bestand, um dessen Sicherung und spätere Ausstellung ich mich gemeinsam mit anderen Mitgliedern des Brüder-Grimm-Platz e. V. bemühe, kann zur Korrektur von Frau Rotthoffs Behauptungen in Kürze folgendes mitgeteilt werden:
Es handelt sich bei den beabsichtigten und zum Teil schon getätigten Erwerbungen um diejenigen Dinge, die über die historischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts hinweg bei den Nachfahren verblieben, und zwar handelt es sich um die Option, diese Gegenstände aus beiden Familienzweigen so gut wie vollständig zusammenzuführen und zu erhalten. Es ergibt sich der seltene Glücksfall, dass aus einer prominenten Familie ein Bestand von mehreren hundert Gegenständen überliefert ist, der es erlaubt, das Leben aller Generationen dieser Familie vom 18. bis zum 20. Jahrhundert zu dokumentieren.
Während die Manuskripte aus dem Nachlass der Brüder Grimm und ihre große persönliche Bibliothek frühzeitig für eine zukünftige wissenschaftliche Nutzung an öffentliche Einrichtungen abgegeben wurden, blieben persönliche Erinnerungsstücke, Gegenstände des täglichen Gebrauchs, Wertgegenstände und Kunstsammlungen mit einigen Ausnahmen zunächst in der Familie, denn an museales Interesse im heute bestehenden Umfang war zunächst nicht zu denken. Auch im 20. Jh. sind Alltagsgegenstände nur in verhältnismäßig geringem Umfang mit abgegeben worden, als die Familie weitere Teile des Familienarchivs, der Kunstsammlungen und der Bibliothek verkaufte bzw. dem Museum Haldensleben stiftete. Die Familie hat sich entschlossen, ihr noch verbliebene Grimmsche Alltagsgegenstände und sonstige Grimmiana zu verkaufen, sofern die vollständige Aufbewahrung, die Zugänglichkeit für Interessierte und die dauerhafte Ausstellung eines möglichst großen Anteils des Bestandes gewährleistet werden können. Gemeinsam mit der Humboldt-Universität zu Berlin wurde damit begonnen, die Objekte zu sichten und zu inventarisieren. Eine Übersichtsdarstellung dazu erscheint demnächst im „Brüder Grimm Gedenken“ 17.
Die Besonderheiten des angebotenen Bestandes und seine Bedeutung im Kontext der schon vorhandenen Kasseler Sammlungen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen (angelehnt an eine vorliegende Übersichtsdarstellung zu diesem Familiennachlass):
- Es ist dies seit mehr als hundert Jahren die erste und voraussichtlich auch die letzte Möglichkeit, für Kassel einen großen Bestand von Gegenständen zu erwerben, der unmittelbar aus der Familie der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm stammt. Die bisher in Kassel vorhandenen größeren Bestände an Grimm-Museumsobjekten stammen dagegen von den Nachfahren Ludwig Emil Grimms und aus der Familie Hassenpflug. Der größte Teil des jetzt zur Erwerbung anstehenden Bestandes stand noch niemals zum Kauf und war auch noch nie ausgestellt.
- Die Komplexität des Bestandes ist ausreichend, um allein mit ihm eine repräsentative Grimm-Ausstellung gestalten zu können. Wenn es später möglich wäre, ihn mit den übrigen Kasseler Grimm-Beständen und mit geeigneten Leihgaben anderer Institutionen zur Grundlage einer neuen Dauerausstellung zu machen, entstünde die reichhaltigste Grimm-Ausstellung, die sich denken lässt.
- Die meisten Objekte des Bestandes können ohne konservatorische Bedenken in eine Dauerausstellung integriert werden (im Unterschied etwa zu Autographen und Handzeichnungen, die in Kassel in großer Zahl vorhanden sind, bei denen man aber kaum verantworten kann, sie längerfristig im Original auszustellen).
- Der im jetzigen Angebot enthaltene Kernbestand an Alltagsgegenständen aus fast allen Lebensbereichen der Familie Grimm (von Schreibarbeit bis Musizieren, von Essen und Kochen bis Beleuchtung und Heizung, von Möblierung bis Kleidung) ist die größte, geschlossenste, vielfältigste derartige Sammlung, die je zur Erwerbung für Ausstellungszwecke zur Verfügung stand, und es ist die einzige dieser Art, die es gibt. Die Gegenstände sind zum Teil bereits seit dem 18. Jahrhundert, seit dem Haushalt der Eltern der Brüder Grimm in Hanau und Steinau, in familiärem Gebrauch gewesen und erlauben es, die Geschichte der Familie Grimm von dieser Zeit an zu erzählen. Museumsdidaktisch bietet sich die Möglichkeit, die wissenschaftlich und künstlerisch tätigen prominenten Angehörigen der Familie in ihren authentischen Lebenszusammenhängen zu zeigen und damit auch Personengruppen einen vertiefenden Zugang zum Thema Grimm zu vermitteln, die kaum wissenschaftlich oder literarisch vorgebildet sind. Der Wert und die Einzigartigkeit des Bestandes erhöhen sich dadurch, dass er zwei bis in die Zeit der Brüder Grimm zurückreichende Sammlungen von Wertgegenständen der Familie vollständig enthält, von denen andere Institutionen nichts besitzen und von denen bisher auch kaum etwas bekannt war: eine Sammlung antiker und neuzeitlicher Gemmen und eine Sammlung von Asiatica.
- Der Bestand enthält außerdem weitere herausragende Stücke der Grimmschen Kunstsammlungen, die eine wertvolle Ergänzung des bisherigen Kasseler Besitzes bedeuten, etwa im Bereich der Plastiken Carl Hassenpflugs oder der Familienporträts.
Was an Maß oder Anmaßung in den Aussagen des Briefes von Eve Rotthoff steckt, können Leser und Leserinnen dieses Forums anhand der vorliegenden Ausführungen selbst erwägen. Es gehört zu den erstaunlichen Phänomenen in der gegenwärtigen Kasseler Grimm-Situation, dass der Glücksfall der Existenz dieses Grimm-Bestandes und der Möglichkeit seiner Erwerbung für Kassel auf Reaktionen wie die des Briefes von Eve Rotthoff stößt. Eigentlich ist es doch fragwürdig, dass die Chancen, die hier bestehen, nicht schon viel früher von der zu solchen Zwecken in Kassel vorhandenen Institution sondiert und genutzt wurden. Statt dessen scheinen manche diesen neuen Bestand gar nicht gern in Kassel zu sehen. Was sind die Motive dafür?
Eve Rotthoff schließt ihren Brief mit den Worten:
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Berthold Friemel, 7. November 2007
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Zur rotthoffschen Expertise
Vielen Dank für diesen plausiblen Beitrag, der einmal mehr zeigt, mit welchen Argumenten die BGG in persona Eve Rotthoff auftritt. Eine – da muss ich SIe verbessern – ehemalige hessische Landtagsabgeordnete, die bisher nur durch Ihre BH-Ausstellungen einem kleinen Kreis von Damen an der Algarve bekannt ist, ist wohl in wissenschaftlicher Thesenbildung ein wenig überfordert.
http://www.alfaliteratursalon.com/bh44.html
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Heinz Trautmann, 8. November 2007
Unter den vom Brüder-Grimm-Platz e. V. in Kassel Ende 2006 neu erworbenen Gegenständen aus Grimmschem Familienbesitz ist ein Ölporträt einer Heiligen auf Holz, dessen Geschichte heute von der "Hessisch-Niedersächischen Allgemeinen" erzählt wird (kleine Schnitzer im Text, so ein Hinweis auf ein angebliches Treffen zwischen den Brüdern Grimm und Hölderlin, dürften aufs Konto der HNA gehen):
Elisabeth für Bettina gemalt
Erste neu erworbene Schätze des Kasseler Grimm-Nachlasses entfalten ihren Zauber
Kopie aus dem 19. Jahrhundert: Aus der dargestellten heiligen Christine machte Maler Epp auftragsgemäß eine Elisabeth. Foto: nhVon Christina Hein
kassel. Gedankenverloren geht der Blick der anmutigen Schönheit im mittelalterlichen Samtkleid in die Weite einer Fantasielandschaft. Was ist es, das den Blick der dargestellten heiligen Elisabeth erregt? Oder ist sie lediglich verwirrt angesichts der Verwandlung, die sie im Laufe der Jahrhunderte durchlebt hat?
"Kassel war ein Zentrum der deutschen Romantik."
Karl-Hermann Wegner
Eine spannende, anekdotenreiche Geschichte umgibt das aparte Gemälde des Malers Friedrich Epp aus Mannheim. Ein Maler, der im Alter von 24 Jahren an Schwindsucht starb und dessen Arbeiten sogar Goethe besaß. Herausgefunden hat die Geheimnisse der Kasseler Kunstwissenschaftler Yannick Schwarz (23). Das Bild – Kleinod eines umfangreichen Nachlasses der Familie Grimm – ist nach Kassel zurückgekehrt. Von dem über 90-jährigen, in Südhessen lebenden Urenkel Wilhelm Grimms ist dieser Nachlass vom Verein Brüder-Grimm-Platz jetzt erworben worden. Zusammen mit circa 100 Nachlass-Exponaten, so Vereinsmitglied Günter Koseck, soll die Elisabeth demnächst präsentiert werden.
Ein Ziel des Vereins, dem auch Schwarz angehört, ist es, die einst in der Torwache befindliche Wohnung der Brüder Grimm zu einer authentischen Grimm-Stätte herauszuputzen. Zu sehen sein soll in einer rekonstruierten Wohnung – was aufgrund der exakten Zeichnungen und Bilder des Malerbruders Ludwig Emil Grimm möglich ist – auch besagter Nachlass, so Vereinsmitglied Karl-Hermann Wegner. Entsprechende Verhandlungen mit dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof, der hier residiert, seien auf einem guten Weg.
Wegner ist vor allem der starke Bezug der deutschen Romantik zu Kassel ein Anliegen: "Kassel war ein Zentrum der deutschen Romantik." Alle verkehrten sie hier, an Orten um den heutigen Brüder-Grimm-Platz, die Ikonen der Romantik: Achim von Arnim, die Brentanos, Savigny oder Hölderlin. Nicht zuletzt, um Jacob und Wilhelm Grimm zu treffen.
Auf wundersame Weise erzählt das Epp’sche Bild genau diese Geschichte. Und die deutsche Literatur- und Kunstgeschichte gleich mit dazu.
Kein Geringerer als der Dichter Achim von Arnim hatte die Arbeit 1811 in Auftrag gegeben. Wie seine Zeitgenossen war er vernarrt ins Mittelalter. Der Anblick des Altarbildes von Joos van Kleve in Heidelberg ließ sein Herz höher schlagen. Spontan beschloss er, seiner geliebten Frau Bettina dieses Bild kopieren zu lassen. Die dargestellte Christine ernannte er kurzerhand – Bettina zu Ehren – in Elisabeth um. Entsprechend musste der Kopist Epp die Attribute Rosenkörbchen und Krone hinzufügen. In einem von Schwarz aufgestöberten Brief vom 4. November 1811 kündigt Achim seiner Bettina das Geschenk bereits an, weil er befürchtete, es könnte nicht pünktlich zu ihrem Namenstag fertig sein.
Wie das Gemälde schließlich in den Grimm-Nachlass gelangte? Eine Tochter der von Arnims und ein Sohn der Grimms heirateten später. Doch das ist dann schon wieder die nächste Geschichte, die am künftigen Grimm-Ort erzählt werden soll.
http://www.hna.de//kasselstart/00_20070827215246_Elisabeth_fuer_Bettina_gemalt.html
Das Bild identifizierte Yannick Schwarz bereits kurz nachdem es nach Kassel gekommen war.
In der Familie der Grimm-Nachfahren galt die Dargestellte als Heilige Katharina, die Marterinstrumente als typische Attribute Katharinas seien entfernt worden. Außerdem hielt die Familie das Bild für ein Frühwerk Ludwig Emil Grimms.
Die falsche Benennung des "Vorbildes" als Katharina geht vielleicht noch auf Bettina von Arnim selbst zurück, von der überliefert ist, daß sie sich in diesem Sinn über das Bild äußerte. In Korrespondenzen der Arnims hat das Bild mancherlei Spuren hinterlassen. Die Heilige Christina Joos van Cleves, aus der Achim von Arnim die Heilige Elisabeth machen ließ, hielt er für das schönste Bild der Sammlung Boisserée in Heidelberg. Yannick Schwarz bereitet über das Bild und seine Geschichte einen Beitrag für den zur Zeit erarbeiteten Band 17 des "Brüder Grimm Gedenken" vor.
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Berthold Friemel, 28. August 2007
Die HNA Kassel berichtete heute ausführlich über den in Kassel Anfang Dezember gegründeten Verein „Brüder-Grimm-Platz e. V.“ und sein erstes großes Projekt: die Übernahme eines Bestandes von Originalgegenständen der Familie Grimm aus dem Besitz eines Nachfahren. Im Grimmnetz wird künftig noch ausführlich von diesem Bestand zu lesen sein. Die Gegenstände sind bisher – soweit wir wissen – noch nie in einer Ausstellung zu sehen gewesen. Hier zunächst eine Dokumentation der heutigen HNA-Berichterstattung:




Das Kulturnetz Kassel lädt zu einem Vortrag Heinz Röllekes über das Kasseler Grimm-Erbe ein:
Der Vortrag steht im Kontext des Kasseler Reformprozesses, siehe andere Beiträge.
Das Bild auf der Einladung gibt Anlass zum Kopfschütteln. Aber vielleicht ist es ironisch gemeint? Jedenfalls zeigt es ein als ‚Schreibschrank aus der Familie Grimm‘ und Relikt der ‚Märchenwerkstatt‘ auf der Expo 2000, im Grimm-Museum und zur Zeit auf einer Tournee in Japan präsentiertes Möbelstück, das allerdings mit den Brüdern Grimm so gut wie nichts zu tun hat. Im Forum der HNA wurde dies ausführlich diskutiert. Da dieses Ausstellungsstück symbolisch für die Kasseler Grimm-Probleme stehen kann und die Informationen dazu im Grimmforum noch nicht zu lesen sind, sollte man sie evtl. hier auch zusammenstellen und ergänzen.
Mit diesem meinem Beitrag möchte ich lediglich auf den Kasseler Vortrag von Heinz Rölleke aufmerksam machen. Die Informationen zu dem Schreibschrank sollten anderweitig noch hier zusammengetragen werden. ✍
Droese, 19. April 2006
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Wortmeldung Dr. Lauers
Auf den Schreibsekretär, der auf obigem Bild zu sehen ist, wurde bei der Rölleke-Veranstaltung in Kassel am vorigen Freitag weiter eingegangen. Heinz Rölleke meinte, er wisse nicht, ob der Abbildung des Schreibsekretärs auf der Einladungskarte ein Irrtum oder subtile Ironie zugrundliege. Seit knapp sechs Jahren sei das Möbelstück durch die Ausstellung als Grimm-Schreibschrank auf der Expo berühmt; zahlreiche Photographien von ihm zierten als Reiseandenken Photoalben, vor allem in Japan und den USA, in der Annahme, es handle sich hierbei um den „Märchenschreibtisch“, das kostbarste Möbelstück aus der Grimmschen Märchenwerkstatt. Aus dem HNA-Forum übernehme ich hier noch ein Bild von der Situation, wie der Schreibsekretär auf der Expo Hannover 2000 stand:
(Quelle: http://www.manfred-roeben.com)
Die Presse berichtete damals überregional, das Land Hessen zeige auf der Expo den Schreibschrank der Brüder Grimm. Da es sich um ein Möbelstück handelt, das die Brüder Grimm vermutlich, wenn überhaupt, nur sehr selten zu Gesicht bekamen (es kam in die Familie ihres Schwagers Ludwig Hassenpflugs zu einer Zeit, als sie mit diesem kaum noch Kontakte hatten), geriet die Legende von der „Märchenwerkstatt“ in den letzten Wochen in Kritik, zuletzt durch den „Spiegel“-Artikel von gestern (näheres im HNA-Forum in den Intrigenstadl- und Märchenwunderland-Threads). Auf der Veranstaltung am Freitag meldete sich Dr. Lauer, der Leiter des Brüder Grimm-Museums, zu Wort und äußerte sich zu dem Exponat.
Ich wollte was zu dem Schreibsekretär auf der Expo sagen. Die ganze Wahrheit ist, daß auf der Expo nicht nur der Schreibsekretär aus der Familie Hassenpflug präsentiert worden ist (und das ist auch so in der Beschriftung dargestellt worden), sondern im Zentrum dieser Präsentation standen die Kasseler Handexemplare der „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm, und auf dem Schreibtisch gab es einige originale Stücke aus dem Nachlaß der Brüder Grimm, die auch ganz klar aus dem Nachlaß stammten. Und das Wort „Märchenwerkstatt“ war sowohl auf der Expo als auch jetzt in dem kleinen Führer durch das Brüder Grimm-Museum, wo wir jetzt zu Leben und Werken der Brüder Grimm 64 Seiten publiziert haben, stand diese „Märchenwerkstatt“ in Anführungszeichen. Und die Präsentation, da mußte man einige Kompromisse auch an solche Ausstellungsmacher auf der Expo machen. Wir waren nicht in der Lage, einen originalen Schreibtisch etwa aus Nürnberg in die Expo hineinzubringen, das wurde abgelehnt. Und die Märchenwerkstatt der Brüder Grimm wurde dann ergänzt, die authentische Märchenwerkstatt, repräsentiert durch die Handexemplare der „Kinder- und Hausmärchen“, die ja im vergangenen Jahr auf unsere Bemühungen hin als Weltdokumentenerbe von der Unesco anerkannt worden sind, diese Handexemplare bekamen dann eine Hülle dieses Hassenpflug-Sekretärs, der ist aber nirgendwo als Möbel der Familie Grimm oder als aus dem direkten Nachlaß der Familie Grimm stammend bezeichnet worden. Das nur zur Korrektur.
Wie der Schreibschrank im einzelnen auf der Expo oder bei anderen Ausstellungsstationen beschriftet wurde, weiß ich nicht (zur Zeit ist er in Japan). In der vor einigen Monaten erschienenen Broschüre „Die Brüder Grimm. Leben und Wirken. Zusammengestellt und kommentiert von Bernhard Lauer“ ist auf S. 60 der Schreibtisch ungefähr in derselben Präsentationsform wie auf der Expo abgebildet, nämlich so wie oben auf dem Einladungsbild (dieses scheint ein Ausschnitt des Bildes in der Broschüre zu sein). In der Broschüre steht dazu ein vierzeiliger Bildtext, der nachfolgend noch zitiert sei.
Bernhard Lauer schrieb: Die „Märchenwerkstatt“ der Brüder Grimm mit Möbelstücken aus Familienbesitz, den Handexemplaren der Ersten Auflage der Märchen und Jacob Grimms Leseglas; dahinter ein Blick in die Marktgasse aus der Wohnung der Brüder Grimm, die im Haus Nr. 17 unweit der ehemaligen Sonnenapotheke mit der Mutter und vier anderen Geschwistern von 1805 bis 1814 lebten. Elektronische Collage von B. Lauer und Daniel Stein. Kassel, 2005.
Weitere Erläuterungen zu den auf dem Bild gezeigten Möbelstücken sind in der Broschüre nicht enthalten.
Nun frage ich Sie:
Wie würden Sie den Wortlaut des Bildtextes hinsichtlich der Provenienz der Möbelstücke verstehen? Und warum erscheint so eine Collage in der Handreichung des Brüder Grimm-Museums mit diesem Text, wenn nicht um zu suggerieren, man habe hier den Arbeitsplatz vor sich, an dem die Märchensammlung entstanden sei? Übrigens trifft es hier ja nicht zu, daß originale Möbelstücke nicht verfügbar waren. Für die Collage hätte man ja durchaus Bilder wirklicher Grimm-Möbel verwenden können. Offenbar geht es doch aber darum, genau dieses Kasseler Möbelstück im Bildgedächtnis des Rezipienten festzubannen mit der Assoziation, es handle sich um das wichtigste Möbelstück der „Märchenwerkstatt“, das nämlich, an dem die Texte zu Papier gebracht wurden. Insofern trifft hier das, was Rölleke sagte, wohl den Nagel vollkommen auf den Kopf – und so geht es nicht, das ist Irreführung mit der Strategie, daß die Mehrheit der Besucher es nicht so genau wissen will und sich gern so ein Möbelstück in der Annahme anschaut, es handle sich um die „Märchenwerkstatt“, ohne weiter nachzufragen oder gar selbst zu recherchieren. Nicht umsonst sind (bzw. waren) im Grimm-Museum auch die Provenienzen weiterer Exponate auf genau dieselbe verschwommene Weise ausgedrückt (oder gar nicht erst angegeben).
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Berthold Friemel, 30. April 2006
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Die HNA zum Rölleke-Vortrag vom 28.April 2006
In der heutigen HNA wird über die Veranstaltung mit Heinz Rölleke berichtet und der Vorgang kommentiert.
Hier zunächst der Bericht:
Grimm-Nachlass für Kassel?
Erben wollen Gegenstände abgeben – Kritik an Grimm-GesellschaftKASSEL. Die Brüder-Grimm-Gesellschaft und das Grimm-Museum haben die Chance, einen umfangreichen Nachlass der Brüder Grimm sowie ihrer Nachkommen zu übernehmen. Die Nachlassliste umfasst mehr als tausend Objekte, vornehmlich Möbel und Haushaltsgegenstände, von denen etwa 15 bis 20 Prozent aus dem Besitz von Jacob und Wilhelm Grimm stammen sollen.
Prof. Hans Brinckmann gab das im Auftrag der Initiativgruppe, die einen Neuanfang der Grimm-Gesellschaft versuchen will, in der Vortragsveranstaltung im Hörsaal des Landesmuseums bekannt, in der Prof. Heinz Rölleke heftige Kritik an der derzeitigen Geschäftsführung der Grimm-Gesellschaft übte. Eingeladen zu der außerordentlich gut besuchten Veranstaltung hatte das Kulturnetz in Verbindung mit dem Literaturhaus und der Goethegesellschaft.
Nach Brinckmanns Worten sind die beiden Nachfahren der Brüder Grimm, die über die Nachlass-Gegenstände verfügen, bereit, die Objekte, zu denen Buffets, Bücherschränke, Bücher, Gemälde, asiatisches Porzellan und andere Haushaltsartikel gehören, nach Kassel zu geben. Der Preis stehe noch nicht fest, müsste aber erschwinglich sein. Brinckmann ist auch sicher, dass man die nötigen Gelder mithilfe von Kulturstiftungen und Bürgerengagement aufbringen könne. Wie Dr. Berthold Friemel von der Berliner Grimm-Sozietät ergänzte, würde das Grimm-Museum mithilfe des Nachlasses erstmals im größeren Umfang die Wohnkultur der Grimm-Familie dokumentieren und inszenieren können.
Im Zentrum der Veranstaltung hatte der Vortrag des Märchenexperten Prof. Heinz Rölleke gestanden, der eine Generalabrechnung mit der Grimm-Gesellschaft vornahm. Er warf ihr Fehler und Versäumnisse vor und beklagte – wie schon im Interview unserer Zeitung -, dass die Gesellschaft andere Grimm-Forscher xxxxxxxxx, und dass sie für sich einen Alleinvertretungsanspruch reklamiere.
Die Kritik zielte insbesondere auf Dr. Bernhard Lauer, der Direktor des Grimm-Museums und Geschäftsführer der Grimm-Gesellschaft ist. Lauer, der sich die Kritik geduldig anhörte, meldete nur in einem Punkt Widerspruch an: Er habe den Schreibsekretär, der im Jahr 2000 auf der Expo gezeigt worden war und dessen Bild auch die Einladung zu der Veranstaltung zierte, nicht fälschlich als Schreibtisch der Brüder Grimm ausgegeben. Vielmehr habe er gewusst, dass der Sekretär aus dem Umfeld der Grimms, der Familie Hassenpflug, stammte. Er habe lediglich das Arrangement in der Expo-Vitrine, zu der auch die Erstausgabe der Kinder- und Hausmärchen gehörte, mit Blick auf die Veranstaltung „Märchenwerkstatt“ genannt.
Der leitende Redakteur Dirk Schwarze schreibt dann unter „Kommentar: Einmaliger Vorgang“:
Die Brüder-Grimm-Gesellschaft ist in eine derartige Krise geraten, dass sich die vereinsinterne Opposition andere Kulturgesellschaften als Plattform suchen musste, um ihre massive Kritik öffentlich vorzutragen. Das Kulturnetz bot in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus und der Goethegesellschaft diese Plattform und ermöglichte so diesen einmaligen Vorgang.
Als Anwalt hatte man sich den angesehenen Grimm-Experten Prof.Heinz Rölleke geholt. Der erledigte die ihm übertragene Aufgabe mit großer Sorgfalt. Es war, als würde er ein schier endloses Sündenregister aufblättern. Schnell wurde klar, dass ein Neuanfang nötig ist, wenn dei Grimm-Gesellschaft auch außerhalb Kassels eine Zukunft haben will. Umso mehr verwundert, dass die Generalkritik nicht mit größerer Gelassenheit vorgetragen wurde. Schließlich hätte es gut getan, stärker in die Zukunft zu blicken, wozu die Aussicht, den Grimm’schen Haushaltsnachlass nach Kassel zu holen, genügend Anlass geboten hätte.
Dass Dr.Bernhard Lauer die in vielen Teilen auf ihn gemünzte Kritik ruhig anhörte, forderte selbst seinen Widersachern Respekt ab. Lauer gab damit aber auch zu verstehen, dass er sich weiter dem Kampf um die Führung der Grimm-Gesellschaft stellt.
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Aanzumerken wäre noch, daß die HNA den Bericht mit einem Photo schmückt, auf dem Dr.Lauer, neben einer Plastik der Viehmännin stehend, eine japanische Publikation in die Kamera hält.
Dazu die Unterschrift:
Zuwachs fürs Brüder-Grimm-Museum?
Unser Archivbild zeigt den Leiter des Brüder-Grimm-Museums, Dr.Bernhard Lauer, mit einer japanischen Übersetzung anlässlich der Wanderausstellung „Die Märchenwelt der Brüder Grimm“
Dieser Beitrag wurde vom Forumsadministrator im Hinblick auf die 2008 / 2009 stattgefundene juristische Auseinandersetzung um Äußerungen zu Zugangsverhältnissen für die Wissenschaft im Grimm-Museum Kassel teilweise unlesbar gemacht.
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Rudolf Theisen, 1. Mai 2006
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Der Extra-Tip über die kommende Samstagssitzung
Der heutige Extra-Tip berichtet über die bevorstehenden Wahlen am kommenden Samstag
Extra-Tip schrieb:
Grimm und die „Klofrauen“
Am Samstag entscheidende Sitzung der Grimm-Gesellschaft im Kasseler Rathaus
An diesem Samstag fallen wichtige Entscheidungen bei der Brüder Grimm-Gesellschaft in Kassel. Da geht es nämlich um die Neuwahl des Vorstandes. Zur Wahl stehen der frühere Präsident von Kassels Uni, Dr. Hans Brinckmann, der vor allem von Gegnern des bisherigen Museums-Leiters, Dr. Bernhard Lauer, vorgeschlagen wurde.Von KLAUS BECKER
KASSEL – Unterstützt wird Brinckmann, der zugleich das documenta-Forum leitet vom „Kultur-Netzwerk“ der Kasseler SPD, einer Gründung des früheren OB Wolfram Bremeier. Auch OB Bertram Hilgen hat sich für seinen Parteifreund Brinckmann stark gemacht. Auch stehen im Lager von Brinckmann Mitglieder des Rotary-Clubs in Kassels. Mitglieder, wie Wirtschaftsprüfer Reiner Ludewig und der frühere evangelische Dekan Wittekind haben ihre Clubfreunde aufgefordert der Brüder Grimm-Gesellschaft beizutreten und Hans Brinckmann zu unterstützen. Das ist eine Initiative, die innerhalb der „Service-Clubs“ sofort auf Widerspruch stieß. Die frühere Landtagsabgeordnete Eve Rotthoff äußerte sich in einem Brief an Wirtschaftsprüfer Ludewig und wies darauf hin, dass die „Service-Clubs“ neutral und unparteiisch sein müssen und sich nicht in die Angelegenheiten anderer Vereine und Gesellschaften einmischen sollten. Sie forderte dagegen alle beteiligten Clubs auf, „Objektivität und Neutralität“ zu bewahren.
Im Mittelpunkt der Kontroverse: Der langjährige Leiter des Brüder-Grimm-Museums in Kassel, Dr. Bernhard Lauer. Letzter Punkt der Kampagne war ein Artikel, der im letzten „Spiegel“ erschien. Dr. Lauer wurden darin zahlreiche Vorwürfe gemacht, er habe Publikationen angekündigt, die noch gar nicht erschienen seien. Im üblichen „Spiegel-Stil“ wurde Lauer als eine Art von „Hochstapler und Aufschneider“ abgekanzelt. Ein Artikel, der jedoch auch bei Politikern nicht unbedingt Begeisterung auslöste. Denn dort hieß es auch: „Vitrinenwächter und Klofrauen“ seien in dem „Akademischen Club“ aufgenommen worden. Vorgeworfen wurde Lauer auch, dass er zu enge Kontakte zur mittelständischen Wirtschaft in Kassel pflege, zum Beispiel zur Brauerei „Knallhütte“, deren enge Bindung an das Lebenswerk der Brüder Grimm den Spiegel-Schreibern offensichtlich nicht bekannt ist. Unbekannt war bisher auch, dass die Brüder Grimm-Gesellschaft, zu der seit vielen Jahren besonders engagierte Bürger aus Kassel gehören, die einst vom Kasseler Verleger Karl Vötterle gegründet wurde, ein „Akademischer Club“ sein soll.
Angesichts der immer heftiger werdenden Attacken in der Brüder Grimm-Gesellschaft hat sich inzwischen ein anderer Kandidat für die Präsidentschaft gemeldet. Der Berliner Unternehmer Dieter Staubach, der seit vielen Jahren engagierte Förderer der Berliner Kulturszene, und durch familiäre Bindungen eng an Nordhessen gebunden. Er lehnt eine parteipolitische Ausrichtung der Brüder Grimm-Gesellschaft entschieden ab und möchte die Grimm-Gesellschaft weiter als Treffpunkt für Grimm-Begeisterte aus allen Regionen und Generationen über alle Parteigrenzen hinaus erhalten. Nach den heftigen, teils hasserfüllten Debatten in Kassel, hat der Kandidat aus Berlin am Samstag die Chance, sich endlich dem Kasseler Publikum vorzustellen.
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Rudolf Theisen, 3. Mai 2006