Arnimsches Brautgeschenk am Brüder-Grimm-Platz in Kassel
(Grimmforum, 28. August 2007)

Unter den vom Brüder-Grimm-Platz e. V. in Kassel Ende 2006 neu erworbenen Gegenständen aus Grimmschem Familienbesitz ist ein Ölporträt einer Heiligen auf Holz, dessen Geschichte heute von der "Hessisch-Niedersächischen Allgemeinen" erzählt wird (kleine Schnitzer im Text, so ein Hinweis auf ein angebliches Treffen zwischen den Brüdern Grimm und Hölderlin, dürften aufs Konto der HNA gehen):

Elisabeth für Bettina gemalt
Erste neu erworbene Schätze des Kasseler Grimm-Nachlasses entfalten ihren Zauber

Kopie aus dem 19. Jahrhundert: Aus der dargestellten heiligen Christine machte Maler Epp auftragsgemäß eine Elisabeth. Foto: nh

Von Christina Hein

kassel. Gedankenverloren geht der Blick der anmutigen Schönheit im mittelalterlichen Samtkleid in die Weite einer Fantasielandschaft. Was ist es, das den Blick der dargestellten heiligen Elisabeth erregt? Oder ist sie lediglich verwirrt angesichts der Verwandlung, die sie im Laufe der Jahrhunderte durchlebt hat?

"Kassel war ein Zentrum der deutschen Romantik."
Karl-Hermann Wegner

Eine spannende, anekdotenreiche Geschichte umgibt das aparte Gemälde des Malers Friedrich Epp aus Mannheim. Ein Maler, der im Alter von 24 Jahren an Schwindsucht starb und dessen Arbeiten sogar Goethe besaß. Herausgefunden hat die Geheimnisse der Kasseler Kunstwissenschaftler Yannick Schwarz (23). Das Bild – Kleinod eines umfangreichen Nachlasses der Familie Grimm – ist nach Kassel zurückgekehrt. Von dem über 90-jährigen, in Südhessen lebenden Urenkel Wilhelm Grimms ist dieser Nachlass vom Verein Brüder-Grimm-Platz jetzt erworben worden. Zusammen mit circa 100 Nachlass-Exponaten, so Vereinsmitglied Günter Koseck, soll die Elisabeth demnächst präsentiert werden.

Ein Ziel des Vereins, dem auch Schwarz angehört, ist es, die einst in der Torwache befindliche Wohnung der Brüder Grimm zu einer authentischen Grimm-Stätte herauszuputzen. Zu sehen sein soll in einer rekonstruierten Wohnung – was aufgrund der exakten Zeichnungen und Bilder des Malerbruders Ludwig Emil Grimm möglich ist – auch besagter Nachlass, so Vereinsmitglied Karl-Hermann Wegner. Entsprechende Verhandlungen mit dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof, der hier residiert, seien auf einem guten Weg.

Wegner ist vor allem der starke Bezug der deutschen Romantik zu Kassel ein Anliegen: "Kassel war ein Zentrum der deutschen Romantik." Alle verkehrten sie hier, an Orten um den heutigen Brüder-Grimm-Platz, die Ikonen der Romantik: Achim von Arnim, die Brentanos, Savigny oder Hölderlin. Nicht zuletzt, um Jacob und Wilhelm Grimm zu treffen.

Auf wundersame Weise erzählt das Epp’sche Bild genau diese Geschichte. Und die deutsche Literatur- und Kunstgeschichte gleich mit dazu.

Kein Geringerer als der Dichter Achim von Arnim hatte die Arbeit 1811 in Auftrag gegeben. Wie seine Zeitgenossen war er vernarrt ins Mittelalter. Der Anblick des Altarbildes von Joos van Kleve in Heidelberg ließ sein Herz höher schlagen. Spontan beschloss er, seiner geliebten Frau Bettina dieses Bild kopieren zu lassen. Die dargestellte Christine ernannte er kurzerhand – Bettina zu Ehren – in Elisabeth um. Entsprechend musste der Kopist Epp die Attribute Rosenkörbchen und Krone hinzufügen. In einem von Schwarz aufgestöberten Brief vom 4. November 1811 kündigt Achim seiner Bettina das Geschenk bereits an, weil er befürchtete, es könnte nicht pünktlich zu ihrem Namenstag fertig sein.

Wie das Gemälde schließlich in den Grimm-Nachlass gelangte? Eine Tochter der von Arnims und ein Sohn der Grimms heirateten später. Doch das ist dann schon wieder die nächste Geschichte, die am künftigen Grimm-Ort erzählt werden soll.
http://www.hna.de//kasselstart/00_20070827215246_Elisabeth_fuer_Bettina_gemalt.html

Das Bild identifizierte Yannick Schwarz bereits kurz nachdem es nach Kassel gekommen war.
In der Familie der Grimm-Nachfahren galt die Dargestellte als Heilige Katharina, die Marterinstrumente als typische Attribute Katharinas seien entfernt worden. Außerdem hielt die Familie das Bild für ein Frühwerk Ludwig Emil Grimms.
Die falsche Benennung des "Vorbildes" als Katharina geht vielleicht noch auf Bettina von Arnim selbst zurück, von der überliefert ist, daß sie sich in diesem Sinn über das Bild äußerte. In Korrespondenzen der Arnims hat das Bild mancherlei Spuren hinterlassen. Die Heilige Christina Joos van Cleves, aus der Achim von Arnim die Heilige Elisabeth machen ließ, hielt er für das schönste Bild der Sammlung Boisserée in Heidelberg. Yannick Schwarz bereitet über das Bild und seine Geschichte einen Beitrag für den zur Zeit erarbeiteten Band 17 des "Brüder Grimm Gedenken" vor.

Berthold Friemel, 28. August 2007

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