Initiativgruppe zur Reform der Grimm-Gesellschaft Kassel,
Zwischenbilanz zu Kassel
(Grimmforum, Februar 2006)

Zwischenbilanz zu Kassel

Das Wochenende bietet etwas Zeit, um Eindrücke zu sammeln, was sich bei dem interessanten Grimm-Kassel-Thema im Lauf von acht bis zehn Tagen entwickelt hat. Am wichtigsten scheint mir, dass es jetzt überregional diskutiert wird, was seiner nationalen und auch internationalen Relevanz entspricht. Über kurz oder lang zeigt sich das natürlicherweise auch in den Massenmedien. Denn es geht um das Brüder Grimm-Museum überhaupt, dem Ruf und den in Kassel vorhandenen Beständen nach. Dass es beidem zur Zeit nicht gerecht wird, ist Teil des Problems, das jetzt diskutiert wird.

In Museums- wie Wissenschaftskreisen steht das Kasseler Grimm-Museum ohnehin im Zwielicht, vorsichtig gesagt. Museumsleute schütteln die Köpfe über das Ausstellungsgebaren, beispielsweise weil Reproduktionen aus fremden Beständen einfach Schildchen mit Grimm-Museums-Signaturen bekommen, als handele es sich um eigenen Besitz; und dies in einem Haus, das so weitgehend zu xxxxxxxxxx sucht, dass andere die dort vorhandenen Bestände auch nutzen können (striktes Fotoverbot im Museum/ Ablehnung, Autografen und ähnliches als Kopien oder Fotos für fremde Projekte herauszugeben). Von Wissenschaftlern werden mehr oder weniger offen mafiaartige Verhältnisse um das Grimm-Museum kritisiert (wie erzählt wird, gehörte zum Kasseler Repertoire beispielsweise, Forscher/Innen, die wegen eines Grimmprojekts mit den Kasseler Grimm-Beständen arbeiteten, in das Direktorzimmer zu bitten und ihnen mitzuteilen, entweder müssten sie das Projekt bei dem Kasseler Museumsdirektor zu dessen Bedingungen ansiedeln, oder er würde ein analoges Projekt in Kassel selbst installieren).

Im Grimmforum entstand die stolze Liste von mittlerweile sieben meist sehr umfangreichen Scheinveröffentlichungen, die garnicht erschienen sind, vom Kasseler Grimm-Museum bzw. dessen Direktor aber (meist mit Angaben über Bestellmöglichkeiten, Anzahl der Seiten und Abbildungen) bibliografisch bekanntgemacht wurden, siehe den entsprechenden Beitrag.

Auch die lokale Debatte in Kassel geht weiter, wie sich am Leserforum der „Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen“ ablesen lässt, http://forum.hna.de/forum/viewtopic.php?id=800&p=4. Dabei werden vor allem die örtlichen Verhältnisse in Kassel diskutiert, etwa eine fragwürdige Besuchsstatistik, die während der Woche in dem als Grimm-Fachblatt schon bekannten „Extra-Tip“ erschien, oder lokalpolitische Sichtweisen, da in Kassel eine Kommunalwahl bevorsteht und den verantwortlichen Politikern der beiden großen Parteien nachgesagt wird, sie versuchten, das Grimm-Thema nicht als den Skandal erscheinen zu lassen, der es eigentlich ist, weil beide Parteien für die Missstände Verantwortung tragen und eine zu engagierte Diskussion wohl beiden schaden dürfte.

Derjenige, an dem sich die Kritik während der letzten Wochen vor allem festmacht (seit es in der Kasseler Grimm-Gesellschaft durch einen zum Scheitern gebrachten Kompromiss zu einer Spaltung des bisherigen Vorstands kam), zieht es vor, die Debatten auszusitzen und sich möglichst wenig zu äussern. Die „Frankfurter Rundschau“ zitierte am Mittwoch eine Pressemitteilung von und ein Gespräch mit Dr. Lauer, noch? Geschäftsführer der Grimm-Gesellschaft und Leiter des Grimm-Museums Kassel. Immerhin dementiert er hier, nach anderthalb Wochen, seine angebliche Entdeckerrolle bezüglich aufgefundener Grimm-Handexemplare: „Ich beanspruche nicht für mich, die Bücher entdeckt zu haben“. Der Frage, wie die Veröffentlichung im Kasseler „Extra-Tip“ mit der Entdeckungsbehauptung zustandekam, wie allen anderen kritischen Fragen weicht der Museumschef nach wie vor mittels vornehmer Zurückhaltung aus (von den noch gar nicht öffentlich aufgeworfenen weiteren Themen und den dazu zu stellenden Fragen ganz abgesehen). Von einem „Streit, den Dr. Bernhard Lauer, Geschäftsführer der Brüder-Grimm-Gesellschaft und Direktor des Grimm-Museums in Kassel als eine Schmutzkampagne einstuft, die er nicht kommentieren will“, schrieb am 3. 2. die „Hessisch-Niedersächsische Allgemeine“; die „Provokationen“, die gegen ihn im Umlauf seien, wolle er nicht kommentieren, gab den Museumsdirektor am 8. 2. die „Frankfurter Rundschau“ wieder, mit dem wörtlichen Zitat: „Absurdes Theater gehört auf die Bühne. In der Wissenschaft ist kein Platz dafür“. Die zum FR-Artikel gehörende Abbildung zeigt Lauers Portrait in einem Arrangement von Grimm-Büsten, dreimal Wilhelm und zweimal Jacob sind zu sehen, wobei Lauers Kopf in der Bildhöhe ungefähr da anfängt, wo die oberen Haarlocken der Brüder Grimm sich befinden, Lauer durch seine große Brille also souverän über die Brüder hinwegblickt – während nochmals beide Brüder im Profil seitwärts von einem Poster auf Augenhöhe zu Lauer hinüberschauen. Das Zitat Lauers über „absurdes Theater“, mit dem der Artikel schließt, und die Inszenierung auf dem Bild sind in der Zusammenschau in höchstem Maß kennzeichnend für das Auftreten Lauers im bisherigen Verlauf dieser Auseinandersetzung.

Es wäre zu wünschen, dass in der (wohl noch am Anfang befindlichen) Diskussion über Kasseler Grimm-Angelegenheiten auch Alternativen entwickelt werden, wobei die Liste der aufzuarbeitenden Missstände offenbar noch nicht zu Ende ist.

Dieser Beitrag wurde vom Forumsadministrator im Hinblick auf die 2008 / 2009 stattgefundene juristische Auseinandersetzung um Äußerungen zu Zugangsverhältnissen für die Wissenschaft im Grimm-Museum Kassel teilweise unlesbar gemacht.

milatosSO36, 11. Februar 2006
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„MilatosSO36“ ist für die präzise und faire Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse zu danken. Ich fühle mich in meiner ursprünglichen Kritik an dem Grimm-Museum („Ein weiteres Gräberfeld in Kassel“) bestätigt und freue mich, wenigstens aus Berlin ein zustimmendes Signal zu erhalten. Leider halten sich die zuständigen Kasseler Kulturpolitiker nach wie vor bedeckt ! Wer das Forum der HNA konsultiert, wird feststellen, daß die durchsichtige Taktik des Stillschweigens vor der Kommunalwahl beim Bürger nicht mehr verfängt. Ein Blick auf die pathologischen politischen Verhältnisse erscheint mehr als notwendig. Die Partei des OB Hilgen (SPD) hofft „im Schlafwagen“ wieder die seit Jahren verlorengegangene Mehrheit wiederzuerlangen und hat Stillschweigen in allen strittigen Politikfeldern verordnet. Im konkreten Fall des Grimm-Museums kommt noch hinzu, daß sich der kundige Bürger fragt, warum eine windige Figur wie Dr.Lauer Jahre lang den Verantwortlichen eine Nase drehen konnte. Zur politischen Verantwortlichkeit der Berufung Lauers ist zu bemerken, daß er seine Postion dem damaligen OB Hans Eichel verdankt, der z.Zt. noch MdB des Wahlkreises ist. Lauer hat mit Geschick seinen Einfluß ausgebaut : in der Saufszene des Landkreises Kassels z.B. mit Hilfe des Landrates Schlitzberger und des Betreibers einer bekannten Brauerei, dessen Grimmkompetenz in der Verwandtschaft mit der Dorothea Viehmann begründet ist. Ein solcher Einfluß hat Folgen : Im Kulturamt sind seit Jahren die Eskapaden des Dr.Lauer bekannt – ohne daß es Abmahnungen oder auch nur vorsichtige Kritik gegeben hätte ! Zudem darf man nicht unterschätzen, welche Rolle die „Marke Grimm“ während der Kulturhauptstadtbewerbung gespielt hat. Zwei Jahre nach diesem Ereignis lesen sich die Bewerbungsunterlagen wie ein feinsinniges Zeugnis von Realsatire – Tenor : Posemuckel will Metropole spielen. Und unser Dr.Felix Krull durfte mundhurig mitspielen -nicht zuletzt hat der Expastor und jetzige Kulturdezernent Junge (CDU) davon politisch profitiert. Aber im Ernst : man stelle sich vor, Kassel wäre Kulturhauptstadt geworden und Dr. Lauer Zugriff auf Millionen von öffentlichen Mitteln eröffnet worden – die Quantität wäre wohl kaum in Qualität umgeschlagen. Ich stimme „milatos“ zu, daß der Fall mittlerweile eine Sache für die überregionale Presse ist. In ihm sind fatale Tendenzen unseres Kulturlebens aufweisbar, die über eine „Provinzposse Kassel“ weit hinausgehen. Außerdem haben Kasseler Politik und Presse nicht den Willen und die Kraft , die Probleme aus eigener Anstrengung heraus zu lösen. Was „milatos“ über das Verhalten Dr.Lauers gegenüber auswärtigen Forschern mitteilt ist ebenso skandalös wie es ins Psychogramm des Museumsdirektors paßt. Zu dem von Dr.Lauer bemühten „Absurden Theater“ ist zu sagen, daß Kassel seit der Entdeckung des sporadischen Aufenthalts Samuel Becketts sich als „Beckett – Stadt“ (sic !) sieht – ob Dr.Lauer schon ahnt, daß er sich im „Endspiel“ befindet ?


Rudolf Theisen, 12. Februar 2006

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„Initiativgruppe will Erneuerung“
Wie die „Hessisch-Niedersächsische Allgemeine“ in ihrer Online-Ausgabe unter http://www.hna.de/hessen_kassel/00Initiativgruppe_will_Erneuerung.html berichtet, hat sich in der Brüder Grimm-Gesellschaft Kassel eine Initiativgruppe gebildet, die auf einen neuen Vorstand und eine Reform der Gesellschaft hinarbeitet. In dem Artikel von Dirk Schwarze heisst es:

Mit der Wahl eines neuen Vorstandes soll am 6. Mai die seit November schwelende Krise der Brüder-Grimm-Gesellschaft beendet werden. Als neuer Vorsitzender wird, wie berichtet, Prof. Hans Brinckmann, der frühere Präsident der Universität Kassel, vorgeschlagen. Er hat sich auf Bitten von Oberbürgermeister Bertram Hilgen zur Kandidatur bereit erklärt und hat mit einer Initiativgruppe die Bemühungen zur Erneuerung der Gesellschaft eingeleitet.

In einem Brief an die Mitglieder der Gesellschaft werden die Konflikte, die zum Rücktritt mehrerer Vorstands- und Beiratsmitglieder führten, beschrieben. Der Initiativgruppe gehören unter anderem die Germanisten Prof. Claudia Brinker-von der Heyde, Holger Ehrhardt, Prof. Andreas Gardt (Kassel) und Prof. Hartmut Kugler an, die in verschiedenen Funktionen innerhalb der Grimm-Gesellschaft tätig waren.

Als eine der Hauptursachen für die Krise wird die „seit Jahren zunehmend schwierige Kooperation mit Dr. Bernhard Lauer“ genannt. Lauer habe, so lautet der Vorwurf, „seine Stellung als Geschäftsführer der Brüder-Grimm-Gesellschaft und als Leiter des Brüder-Grimm-Museums genutzt, den Zugang zu den Kasseler Grimm-Beständen von seiner individuellen und willkürlich erteilten Zustimmung“ abhängig zu machen. Die zum Teil heftigen Spannungen hätten die „inhaltliche Arbeit massiv“ xxxxxxxxx. So seien mehrere Kooperationen abgebrochen worden und neue Initiativen zum Thema Grimm außerhalb Kassels entstanden. …

Daher wird vorgeschlagen, die Leitung des Grimm-Museums und die Geschäftsführung der Brüder-Grimm-Gesellschaft zu trennen. … Die langfristigen Ziele sind: Zusammenarbeit der Brüder-Grimm-Gesellschaft mit anderen Grimm-Stätten und -Vereinigungen, intensivere Identifizierung mit der Region, Förderung des Museums, Profilierung als Grimm-Forschungsstelle und Gründung einer Akademie sowie Umstrukturierung aufgrund einer Satzungsänderung.

Zum offenen Konflikt war es im vorigen Jahr gekommen, nachdem Lauer als Museumsdirektor und Geschäftsführer der Gesellschaft angekündigt hatte, zusätzlich für das Amt des Vorsitzenden zu kandidieren und somit den bis dahin amtierenden Präsidenten Wolfgang Windfuhr abzulösen. Nachdem der Versuch gescheitert war, auf der Grundlage eines Kompromisses die Satzung zu ändern und den Vorstand unter der Führung von Windfuhr zu erweitern, waren Windfuhr und andere zurückgetreten. So bilden jetzt Dr. Lauer als Geschäftsführer und Schatzmeister Tampe den Restvorstand, den die beiden um Dr. Grothe aus dem Wissenschaftlichen Rat ergänzten.

(Zitat: Dirk Schwarze, Hessisch-Niedersächsische Allgemeine vom 16. 2. 2006)

Dieser Beitrag wurde vom Forumsadministrator im Hinblick auf die 2008 / 2009 stattgefundene juristische Auseinandersetzung um Äußerungen zu Zugangsverhältnissen für die Wissenschaft im Grimm-Museum Kassel teilweise unlesbar gemacht.


milatosSO36, 17. Februar 2006

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