Grimms Märchen jetzt im Banktresor
(KHM-Handexemplare Kassel)
(Grimmforum, 25. Februar 2007)

Nachdem der Stadt Kassel klarwurde, welchen materiellen Wert die zum Weltdokumentenerbe der UNESCO gemachten Märchen-Handexemplare haben, ließ die Kulturverwaltung sie jetzt aus dem Museum in einen Banktresor bringen. Ich hole die betreffenden Beiträge aus dem HNA-Forum hier herüber:

Hier das heutige Ergebnis der zum Brauch gewordenen vormitternächtlichen Presseschau.
Die Stadt hat den materiellen Wert der Kasseler Handexemplare von Grimms Märchen feststellen lassen und sie nun in einen Banktresor verbracht.

HNA von Samstag schrieb:

Kassel
Ein Streit um 30 Millionen Euro
Stadtverordnete haken bei den kostbaren Märchen-Handexemplaren der Brüder Grimm nach

Von Jörg Steinbach
http://mitglied.lycos.de/bonobo2006/l_welterbe_hna.jpg
Steht in der Kritik: Grimm-Museumsdirektor Dr. Bernhard Lauer mit den kostbaren Märchen-Handexemplaren der Brüder Grimm.
kassel. Die alten Märchenbücher mit den handschriftlichen Anmerkungen der Brüder Grimm stehen jetzt im Banktresor. Sicherheitshalber, wie Kassels Bürgermeister und Kulturdezernent Thomas-Erik Junge (CDU) gestern den Stadtverordneten im Ausschuss für Finanzen, Wirtschaft und Grundsatzfragen erklärte. Denn die zum Weltdokumentenerbe erklärten Handexemplare der Grimms sind äußerst wertvoll. Geschätzter Wert: 30 Millionen Euro.

Mit dieser Zahl überraschte der Bürgermeister auch die Stadtverordneten, die sich für den seit Jahren schwelenden und seit Kurzem offen ausgetragenen Streit um die Eigentumsrechte an den kostbaren Büchern aus dem Nachlass der Brüder Grimm interessieren. Denn jetzt ist klar: Es geht nicht bloß darum, ob ein paar alte Schmöker in einem Bücherschrank des Landes Hessen, der Stadt Kassel oder der Brüder-Grimm-Gesellschaft stehen. Es geht auch um richtig viel Geld.

Deshalb wollte die FDP-Fraktion auch haargenau wissen, wie es um den Anstellungsvertrag von Dr. Bernhard Lauer bestellt ist. Der ehrenamtliche Geschäftsführer der Grimm-Gesellschaft ist gleichzeitig bei der Stadt angestellter Direktor des Brüder-Grimm-Museums.

Der am 17. Juli 1989 mit Lauer geschlossene Anstellungsvertrag enthält keine konkrete Arbeitsplatzbeschreibung. Mit der Frage, welche Sofortmaßnahmen der Magistrat eingeleitet hat, um die konkrete Gefahr abzuwenden, „dass die Besitz- und Eigentumsverhältnisse an Kasseler Grimm-Beständen weiter verändert werden“, tat sich der Bürgermeister sichtlich schwer. Nachdem FDP-Chef Frank Oberbrunner klargestellt hatte, dass es dabei nicht um die sichere Aufbewahrung der Handexemplare gehe, sondern um die Frage, ob ein städtischer Bediensteter in fragwürdiger Weise mit wertvollem Eigentum der Stadt oder des Landes umgegangen ist. Denn seit Wochen wird immer klarer, dass die Grimm-Gesellschaft mehrfach versucht hat, sich auch als Besitzer jener Bände auszugeben, die ihr nicht gehören. Zugleich hat die Brüder-Grimm-Gesellschaft wiederholt ihre eigene Geschichte falsch dargestellt, um Eigentumsrechte zu behaupten, die nicht gegeben sind.

Darauf machte auch Kai Boeddinghaus (Linke.ASG) aufmerksam. Lauer habe die Bücher aus dem Eigentum der Stadt oder des Landes der Grimm-Gesellschaft zugeordnet. Dazu der Bürgermeister: „Ich habe keinen Anlass, in irgendeiner Weise Herrn Lauer zu verdächtigen.“ Zwar räumte Junge ein, dass in den von Lauer formulierten Anträgen an die Unesco zur Anerkennung der Handexemplare als Weltkulturerbe die Grimm-Gesellschaft als Eigentümer genannt werde. Diese in englischer Sprache verfassten Schriftstücke müssten aber noch genau überprüft werden.

„Ich wundere mich, wie sie mit diesem Thema umgehen“, sagte dazu Bernd W. Häfner (FWG) an den Bürgermeister gewandt. Zumal „die Person Lauer“ auch in anderen Zusammenhängen in der Kritik stehe.

Unzufrieden waren die Stadtverordneten auch mit den Antworten auf zwei Fragen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt wurden. Wie die Stadt mit der Grimm-Gesellschaft umgehen will, wenn sich bewahrheitet, dass Lauer wertvolle Bestände aus öffentlichem Eigentum in vorgeblichen Besitz der Grimm-Gesellschaft umgewidmet habe, dazu mochte der Bürgermeister nichts sagen. Auch nicht zu der Frage, ob gegen Lauer disziplinarrechtliche, standesrechtliche, arbeitsrechtliche oder strafrechtliche Schritte eingeleitet werden.

23.02.2007
http://www.hna.de/kasselstart/LINK00_20070223213407_Ein_Streit_um_dreinull_Millionen_Euro.html
(Hervorhebungen Bonobo)

Meine ergänzende Frage an den Vikar Junge:
Die entsprechenden Passagen im englischen Antragstext der Brüder Grimm-Gesellschaft e. V. an die UNESCO mit den von Herrn Lauer verfälschten historischen und rechtlichen Angaben wurden seit Mitte November breit diskutiert und auch Ihnen immer wieder unterbreitet. Was glauben Sie, wer für Ihre Ankündigung, diese fremdsprachigen Textpassagen müßten jetzt erst noch genau geprüft werden, noch Verständnis und Respekt aufbringt? Ich sehe bei Ihnen vor allem Kleinmut, Unfähigkeit, Fehlentwicklungen zu analysieren und ihnen entgegenzusteuern, und Arroganz, mit der Sie an einem Amt festhalten, für das Sie Ihre Nichteignung Tag für Tag beweisen. Sie sind nach meiner Meinung ein Verhängnis für Kassel.
Ergänzend noch einige Beiträge aus der Diskussion im HNA-Forum zu diesem Bericht, http://forum.hna.de/forum/viewtopic.php?pid=36907#p36907

„Tiefblick“ schrieb
HNA von Samstag schrieb
kassel. Die alten Märchenbücher mit den handschriftlichen Anmerkungen der Brüder Grimm stehen jetzt im Banktresor. Sicherheitshalber, wie Kassels Bürgermeister und Kulturdezernent Thomas-Erik Junge (CDU) gestern den Stadtverordneten im Ausschuss für Finanzen, Wirtschaft und Grundsatzfragen erklärte. Denn die zum Weltdokumentenerbe erklärten Handexemplare der Grimms sind äußerst wertvoll. Geschätzter Wert: 30 Millionen Euro.
„Bollchen im Karlshospital-Thread“ schrieb:
Die Veranstaltung am Mi. 21.2. 07 … im Stadtmuseum“ …

Bericht Dr.Axel Halle:
Er berichtet ausführlich von den bekannten Qerelen um die Eigentumsrechte an den Grimm-Schwarten. Seine persönliche Verärgerung ist ihm direkt anzumerken. („mein bürgerliches Rechtsempfinden sagt mir….“). Er geht auf Fragen der Anwesenden im Einzelnen ein: die Handexemplare befinden sich in wenig gesicherten Räumen des Museums, in einem Gebäude, das im Wesentlichen zweiadrig elektrifiziert ist.“ Wenn sie wissen wollen, was das bedeutet , erwähne ich nur die Anna-Amalia-Bibliothek. Ich will Ihnen aber keine Angst machen“. Die aktuelle Verlustzahl beziffert er auf 1000 Bücher, also solche, die eigentlich der Uni-Bibl. gehören, sich aber in der Gewalt von Dr.L. befinden. Beifall.

Gibt es da irgendeinen Zusammenhang? Geht jetzt so langsam der Arsch auf Grundeis? Herr Junge, es wird noch frostiger, ziehen Sie sich schon mal warm an. Wer sich mit Leuten wie Lauer anfreundet braucht ein dickes Fell …

„Clarence“ schrieb:
Zur Erinnerung:
§ 246
Unterschlagung
(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
(2) [color=red]Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.[/color]
(3) Der Versuch ist strafbar.[/quote]

„Ralph Hallstein“ schrieb:
HNA von Samstag schrieb:
Der am 17. Juli 1989 mit Lauer geschlossene Anstellungsvertrag enthält keine konkrete Arbeitsplatzbeschreibung.
Dazu der Bürgermeister: „Ich habe keinen Anlass, in irgendeiner Weise Herrn Lauer zu verdächtigen.“ Zwar räumte Junge ein, dass in den von Lauer formulierten Anträgen an die Unesco zur Anerkennung der Handexemplare als Weltkulturerbe die Grimm-Gesellschaft als Eigentümer genannt werde. Diese in englischer Sprache verfassten Schriftstücke müssten aber noch genau überprüft werden.
„Ich wundere mich, wie sie mit diesem Thema umgehen“, sagte dazu Bernd W. Häfner (FWG) an den Bürgermeister gewandt. Zumal „die Person Lauer“ auch in anderen Zusammenhängen in der Kritik stehe.
Herrn Häfner ist zuzustimmen: hat man vergessen, daß die Kritik an Lauer seinerzeit auch wegen des Zustandes des Museums einsetzte? Eine Kritik, die vor knapp einem Jahr noch von Junge geteilt wurde – ich erinnere an das berühmte Wort vom „Handgestrickten“. Was ist mit den Vorwürfen, Bestände des Museums und der Bibliothek kompetenten Benutzern vorzuenthalten? Und vergessen wir auch nicht, daß die ganze heute breit entfaltete Malaise ihren Ausgang in Lauers megalomanen Ansinnen nahm, auch noch die Präsidentschaft der BGG an sich zu reißen. Herr Junge – haben Sie ein kurzes Gedächtnis oder sind Sie voller pastoraler Naivität nicht in der Lage einzuschätzen, mit welcher Persönlichkeit Sie „große“ Kulturpolitik zu gestalten beabsichtigen ? Nur ein ganz klein wenig politischer Instinkt sollte Ihnen sagen, daß jetzt noch der Zeitpunkt vorhanden ist, sich von Lauer deutlich zu distanzieren.
Die Information über den Arbeitsvertrag macht zudem deutlich, daß hier einer machtbewußten Persönlichkeit die Möglichkeit geboten wurde, ihre Selbstentfaltung zu erproben. Das Resultat ist in jeder Hinsicht mager.
Und noch eine Frage an Herrn Junge: wer überprüft eigentlich den englischen Text – doch nicht etwa der polyglotte Freund Lauer ?

„Maki“ schrieb:
„Tiefblick“ schrieb:
HNA von Samstag schrieb:
kassel. Die alten Märchenbücher … 30 Millionen Euro.
„Bollchen im Karlshospital-Thread“ schrieb:
Die Veranstaltung am Mi. 21.2. 07 … Bericht Dr.Axel Halle: … Die aktuelle Verlustzahl beziffert er auf 1000 Bücher, also solche, die eigentlich der Uni-Bibl. gehören, sich aber in der Gewalt von Dr.L. befinden. Beifall. … dickes Fell …
Die Unterbringung der Grimm-Raritäten in einem Banksafe würde ich eher als symbolische Geste oder als Vorgaukelung von Handlungswillen ansehen. Denn dass die Bücher verschwinden, beschädigt oder zerstört werden, war zwar nicht auszuschließen (zumal angesichts des voriges Jahr im Bellevue bereits vorgefallenen Wasserschadens, über den der Öffentlichkeit nach wie vor nichts näheres bekannt ist, und des von Herrn Halle erwähnten Zustands der Elektroanlage).

Aber die tatsächliche akute Gefahr liegt doch anders, und davor verschließt der Bürgermeister Junge laut HNA-Bericht demonstrativ die Augen:
Wenn es in solch einem herausragenden Fall dazu gekommen ist, dass der von der Stadt bestellte Museumsleiter ihm anvertraute Bestände in seinem Ehrenamt als Geschäftsführer der Grimm-Gesellschaft zu deren Gunsten umzuwidmen versucht, also sie als deren Eigentum ausgibt und sie damit dem öffentlichen Eigentum entfremdet, auf was für Ideen mag er dann noch gekommen sein? Wie ist es um die Unterlagen im Grimm-Museum beschaffen, die Auskunft über die Herkunft und den Eigentumsstatus der anderen dort verwahrten Bestände geben? Ist seit Ende 2005, als der Skandal begann, etwas unternommen worden, um zu verhindern, dass dort Unterlagen beseitigt, Angaben verändert oder Bestände abtransportiert werden?
Man wird nicht alles, was belangvoll ist und der Öffentlichkeit gehört oder öffentliches Eigentum aktenkundig macht, in einen Banksafe schaffen können. Wichtig wäre, die Gefahr zu sehen, die hier von einer konkreten Person ausgeht, und ihr einen Riegel vorzuschieben

„Klaus Weltermann“ schrieb:
Hallo !
Die Frage des Bankschließfachs ist interessanter als sie auf den ersten Blick erscheint !
1. Ein Bankschließfach ist sicher ein guter Ort um die wertvollen Dokumente vor Eigentumsdelikten zu schützen. Ist es aber auch ein guter Ort um die Bücher vor dem Zerfall zu schützen ???? Die Bücher haben eine dreistellige Altersangabe ! Wie sieht es mit der Luftfeuchtigkeit dort aus, mit der Temperatur ???
Wie wird anerkannten Grimmforschern der Zugriff auf das anerkannte Weltkulturerbe ermöglicht????? Wäre das nicht angezeigt?
2. Die Handschriftenabteilung der Uni-Bibliothek hat Erfahrung mit der Be und Verwahrung von kostbaren Schriften. Warum wurde nicht der doch so kurze Draht zur UNI genutzt um hier eine professionelle und sichere Verwahrung zumindest vorübergehend sicherzustellen????? Könnte es mit der derzeitigen offenen Rechtsfrage zu tun haben???
Oder anders: Es ist scheinbar wichtiger Recht zu behalten, anstatt das Weltkulturerbe der Welt zu erhalten!
Die Werke könnten von der Uni aufbereitet werden und im Internet der Forschung zur Verfügung gestellt werden! Ein derartiges Ansinnen wurde ja schon von Dr. Halle angekündigt. Was ist aber wenn alle lesen können??? Verliert dann nicht ER seine Machtposition ????
3. Im Reiche des Kulturdezernenten scheint eine merkwürdige Denke zu herrschen !
Ein anerkanntes Weltkulturerbe der UNESCO darf frei bei IHM auf dem Schreibtisch liegen.
Erst wenn jemand bestätigt dass das Erbe 30 Mio EURO wert ist, und jemand nachfragt, kommt dieses nicht in eine adäquate Verwahrung – nein – es kommt dahin wo man 30 MIO aufbewahrt – zur Bank !!!! Unglaublich ! Nochmal : Dies alles geschieht nicht unter den Augen des Stadtkämmerers, sondern unter der Regie des KULTURdezernenten ! Könnte es sein dass der Mann vollkommen unfähig ist dieses Amt zu bekleiden????
Kulturdezernent Junge : Sechs, Setzen !
Einen schönen Sonntag wünscht
KW

Bonoboche, 25. Februar 2007

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