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Brüder Grimm-Gesellschaft Kassel
Grimm-Städte und Grimm-Stätten
(Grimmforum, April 2006)

Zu den mir zugesandten Unterlagen für die Mitgliederversammlung der Brüder Grimm-Gesellschaft am 6. Mai möchte ich hier im Forum Stellung nehmen, zumal ich an der Versammlung in Kassel nicht teilnehmen kann. Meine Stellungnahme wird relativ lang sein, und ich bitte dafür um Verständnis: der Sachverhalt ist vielschichtig und nach meiner Überzeugung für die Zukunft der Grimmforschung und die Pflege des Grimmerbes entscheidend, und zwar nicht nur in Kassel, sondern darüber hinaus. Ich hoffe, daß Andere, ob nun Mitglieder der Grimm-Gesellschaft oder nicht, auch diese Möglichkeit des Forums (weiterhin) nutzen werden, um sich zu informieren und auszutauschen.
Zunächst aber kurz zur Person: als neuseeländischer Germanist beschäftige ich mich seit 30 Jahren mit den Brüdern Grimm, insbesondere mit ihrer Arbeit am Deutschen Wörterbuch. Ich bin seit mehr als 20 Jahren Mitglied der Brüder Grimm-Gesellschaft Kassel. Zur Zeit arbeite ich an einem umfangreichen Grimm-Briefwechsel für die „Berliner“ Briefausgabe. Daß ich in „Berlin“ mitarbeite, hat drei hauptsächliche Gründe: 1. das Herausgeberkollegium hat mich dazu eingeladen; 2. in Berlin habe ich Zugang zu großen historischen Bibliotheken mit den für meine Arbeit wichtigsten Dokumenten und Archivalien einschl. des Grimm-Nachlasses und der Grimm-Bibliothek; 3. in der Arbeitsstelle Grimm-Briefwechsel an der Humboldt-Universität wird meine Arbeit selbstlos und sachkundig mit Rat und Tat unterstützt – eine bessere Forschungsstätte könnte ich mir als Grimmforscher nicht wünschen, weder menschlich noch wissenschaftlich.
Sodann zu „Kassel“. Über die Entwicklungen des letzten Halbjahrs bin ich sehr enttäuscht, ja entsetzt. Ich kann sie aus eigener Erfahrung nicht so richtig beurteilen, sondern bin auf Zusendungen des Gesellschaftsvorstands, Presseberichte, Informationen aus zweiter Hand, und Foren wie dieses und das HNA-Forum angewiesen. In letzterem ist dieses Thema offensichtlich auf wohl einmaliges Interesse gestoßen. Ich möchte dreierlei unterscheiden, und d.h. zugleich, daß ich der Überzeugung bin, daß diese drei Bereiche auf jeden Fall von der Sache her differenziert und auch strukturell getrennt zu betrachten und zu behandeln sind:
1. Die Bemühungen in Hessen, die Brüder Grimm stärker zur Geltung zu bringen, ja – wie mir scheint – sie touristisch einzusetzen und zu vermarkten. Dazu möchte ich nichts sagen.
2. Das Brüder Grimm-Museum in Kassel: Dies ist für mich DAS Grimm-Museum – oder müßte es sein. Dabei übersehe ich keineswegs andere Grimmstätten wie Haldensleben, Hanau oder Steinau oder andere Museen mit Grimmexponaten wie in Nürnberg. Auf das Museum als Forschungsstätte komme ich an anderer Stelle zurück. Über das Museum bin ich nur aus zweiter Hand informiert, aber es scheint erstens zu klein zu sein, sind doch z. B. viele Bücher und Nachlaßmaterialien ausgelagert und schwer zugänglich; zweitens nur außen an der Fassade und oben am Dach saniert zu sein, nicht jedoch innen, wo die ganzen Leitungen liegen (muß ich an die Anna Amalia erinnern?); und drittens scheint die Ausstellungspraxis, z. B. falsche oder irreführende Schilder, stark ins Kreuzfeuer der Kritik geraten zu sein. Es ist ein städtisches Museum, die Stadt Kassel ist also als Instanz gefordert, wohl durch das Kulturamt vertreten? In der Presse stand vieles über eine Neugestaltung der Kasseler Museumslandschaft; das BGM gehört doch wohl in diesen Kontext? Aber, wie gesagt, m.W. ist das eine städtische Einrichtung und deshalb in erster Linie eine städtische Angelegenheit, während die Brüder Grimm-Gesellschaft ein privater Verein und deshalb ganz etwas anderes ist. Damit bin ich beim eigentlichen Thema.
3. Die Brüder Grimm-Gesellschaft: hier fühle ich mich als langjähriges Mitglied direkt angesprochen. Da liegt mir sehr viel am Herzen. Ich bin jetzt vor allem auf Grund der Versammlungsunterlagen zum Schluß gekommen, daß es so nicht weitergehen kann und darf, sondern daß ein Neuanfang unbedingt erforderlich ist. Die Fortführung des Beitrags, die auf Details der vom Vorstand der Grimm-Gesellschaft übersandten Unterlagen zur Mitgliederversammlung einging, wurde vom Administrator nicht mit in die 2020 wiederhergestellte Version des Forums übertragen.

Alan Kirkness, 18. April 2006

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Grimm-Städte und Grimm-Stätten

In diesem zweiten Forumbeitrag als Mitglied der Brüder Grimm-Gesellschaft Kassel geht es mir um die Gesellschaft als „internationale wissenschaftliche Gesellschaft“ und um Aspekte ihrer durch die gegenwärtige Satzung vorgegebenen wissenschaftlich-inhaltlichen Tätigkeit. Meiner Meinung nach ist diese Satzung revisionsbedürftig, aber sie ist für die bevorstehende Mitgliederversammlung gültig und verbindlich. Zunächst einige Anmerkungen zu Grimm-Städten und -Stätten.
Die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm haben bekanntlich in verschiedenen deutschen Städten gelebt und gearbeitet, von Hanau, Steinau, Marburg und Kassel bis Göttingen und Berlin. Diese Städte bewahren ihnen in verschiedener Weise ein ehrendes Andenken, und es lohnt sich kurz darauf einzugehen. Hanau und Steinau dürfen sich seit kurzem offiziell als „Brüder Grimm-Stadt“ bezeichnen; Grimm-Interessierte können in Hanau das Historische Museum im Schloß Philippsruhe und in Steinau die Ausstellungen im Schloß und im Amtshaus besuchen; die Stadt Hanau verleiht auch einen Brüder-Grimm-Preis. In Marburg sind zu finden das Haus der Romantik und das Hessische Staatsarchiv mit seinem umfangreichen Nachlaßbestand, der durch das Verzeichnis von Werner Moritz erschlossen wird. Die Universität Marburg verleiht seit langem einen Brüder-Grimm-Preis und will jetzt eine Grimm-Professur etablieren. Kassel zeichnet sich z. B. durch das Brüder Grimm-Museum, die 1897 erstmals gegründete Brüder Grimm-Gesellschaft und die Murhardsche Bibliothek aus, in denen viele bedeutende Grimm-Autographen, Archivalien und Exponate aufbewahrt sind. Kassel ist ebenfalls Sitz der Brüder Grimm-Stiftung, und an der Universität Kassel ist eine Grimm-Professur bereits fest etabliert. Das Land Hessen will jetzt sein Konzept „Hessen – Land der Brüder Grimm“ in die Tat umsetzen. In der Akademie der Wissenschaften in Göttingen wird an der Neubearbeitung des Grimmschen Deutschen Wörterbuchs gearbeitet, und die Universitätsbibliothek besitzt u.a. wertvolle Grimm-Manuskripte. In Berlin sind zu finden erstens die durch das Annotierte Verzeichnis von Ludwig Denecke und Irmgard Teitge erschlossene Bibliothek der Grimms in der Bibliothek der Humboldt-Universität, die künftig in einen Neubau umziehen soll, das „Jacob und Wilhelm Grimm-Zentrum“; zweitens der sehr umfangreiche Nachlaß der Brüder Grimm in der Staatsbibliothek, dessen Bestand von Ralf Breslau katalogisiert wurde; drittens die Arbeitsstelle des Deutschen Wörterbuchs in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften mit ihrer hervorragenden Spezialbibliothek für historische Lexikologie und Lexikographie; viertens die Arbeitsstelle Grimm-Briefwechsel an der Humboldt-Universität, die u.a. ein grundlegendes Verzeichnis der Briefe von und an die Brüder Grimm ins Netz gestellt hat. Die Stadt ist außerdem Sitz einer 1991 gegründeten Grimm-Sozietät zu Berlin, und das Land Berlin verleiht auch einen Brüder-Grimm-Preis. Hinzu kommen nicht zuletzt Bücher, Bilder und andere Gegenstände aus dem Besitz der Familie Grimm in Bad Homburg, Haldensleben, Nürnberg und Schlüchtern, wobei ich von Märchenstraßen und Märchenburgen ganz absehe.
Vielfalt, Reichweite und Bedeutung dieser Einrichtungen, Aktivitäten und Bestände etc. sind erstaunlich. Ein Netzwerk von Grimm-Städten und -Stätten erstreckt sich über das nördliche Deutschland, es ist ein aus vielen verschiedenen Komponenten zusammengesetztes Grimm-Mosaik. Es ist zugleich der Kontext, in den m. E. die Programmdiskussion und insbesondere die Personalwahlen auf der Mitgliederversammlung der Gesellschaft am 6. Mai 2006 gehören und der meine Stimmabgabe als Mitglied begründen würde, könnte ich an der Versammlung teilnehmen. Folgende Gesichtspunkte sind mir mit Blick auf die Diskussion und die Wahlen wichtig:
Erstens, die Gesellschaft in Kassel sollte sich nach meiner Überzeugung als eine Komponente des Grimm-Mosaiks verstehen, und zwar als eine bedeutende. Keinesfalls aber als die führende, dies steht m. E. der Gesellschaft in Anbetracht der vielen anderen bedeutenden Komponenten nicht zu. Ich bin dafür, daß die Gesellschaft laut Satzung der Pflege und Förderung deutscher Kultur dient u. a. „durch Förderung des Ausbaues des Brüder Grimm-Museums“ (§2.3). Ich bin dagegen, daß „die Brüder Grimm-Gesellschaft … ihre Hauptaufgabe darin sehen [muß], das Brüder Grimm-Museum Kassel zu einer zentralen Sammlungs-, Dokumentations- und Forschungsstätte auszubauen und von hier aus die nationalen und internationalen Aktivitäten zu koordinieren und zu vernetzen“ (Anlage 1). Erstens kann dies gemäß der Satzung nicht die Hauptaufgabe der Gesellschaft sein, und zweitens wäre sie nach bisheriger Erfahrung hierdurch überfordert. Ich bin entschieden dagegen, daß das Museum „zur zentralen Sammlungs-, Dokumentations- und Forschungsstätte“ (Anlage 1. 1) ausgebaut werden soll, d.h. im Klartext: zu DER Stätte (jetzt mit bestimmtem Artikel, vgl. den früheren unbestimmten Artikel!). Dagegen spricht vieles, zumal wenn man sich einerseits an die immer wiederkehrenden Klagen über die mangelnde Personal- und Sachaustattung von Seiten der Museumsleitung und andererseits an die vielen bereits vorhandenen Grimm-Stätten erinnert. Dagegen spricht aber hauptsächlich und grundsätzlich, daß dies eine m.E. völlig unzulässige und inakzeptable Verquickung von (städtischem) Museum und (privater) Gesellschaft bedeutet, wie ich in meinem früheren Forumbeitrag ausgeführt habe. Unter diesem Gesichtspunkt scheinen mir die Vorstellungen der „Initiativgruppe“ (Anlage 2) viel realistischer und zukunftsträchtiger zu sein als die Forderungen etwa in Anlage 1, die diese Verquickung nur noch fester zementieren wollen. Ich halte diese Forderungen für unrealistisch und unrealisierbar. Wenn ich sie an dem messe, was in den letzten 10 bis 12 Jahren tatsächlich geleistet worden ist, erscheinen sie mir völlig illusorisch. Was die in §2.3. der Satzung erwähnten Gedenkstätten in Hanau, Schlüchtern und Steinau anbelangt, so wäre es m.E. vor allem Sache dieser Einrichtungen, über ihr Verhältnis zur Brüder Grimm-Gesellschaft Kassel zu entscheiden. Hier wäre ich auch für eine Satzungsänderung, die andere, nicht nur hessische Grimm-Stätten kooperativ miteinbeziehen würde. Somit komme ich zum zweiten Punkt.
Zweitens, die Gesellschaft sollte im Interesse der Pflege und Förderung deutscher Kultur im Geiste der Brüder Grimm mit den vielen anderen Grimm-Städten und -Stätten kooperieren wollen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß in jüngerer Zeit die Gesellschaft, wie sie durch den Vorstand vertreten wird, andere Grimmstätten eher als Konkurrenz betrachtet und behandelt hat. Dies gilt auf jeden Fall für die Grimm-Sozietät zu Berlin, gegen die sogar ein m.E. völlig unbegründeter und überflüssiger Gerichtsprozeß geführt wurde. Ich kann mich auch des Eindrucks nicht erwehren, daß in jüngerer Zeit die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, einen Monopolanspruch auf die Grimm-Forschung zu erheben versucht hat. Dies gilt auf jeden Fall für die gescheiterten Verhandlungen zwischen den Sprechern des Herausgeberkollegiums, das die „Berliner“ Briefausgabe betreut, und dem Vorstand der Gesellschaft, die für die Kasseler Werk- und Briefausgabe verantwortlich ist. Doppelte Mitgliedschaften in Kassel und Berlin sind in Kassel unerwünscht (Beschluß des Vorstands? der Geschäftsführung? einer Mitgliederversammlung?) – warum eigentlich? Früher war dies anders, was m.E. der Gesellschaft gut anstand und der Grimm-Forschung förderlich war. Wie dem auch sei, Konkurrenzdenken und Monopolanspruch lehne ich ab. Ich unterstütze jede Kooperation zwischen Grimm-Stätten als gleichwertigen Partnerinstitutionen. Wiederum unterstütze ich deshalb die „Initiativgruppe“, die diesen Punkt als den ersten der wichtigsten Punkte der zukünftigen Arbeit anführt (Anlage 2). Auf Grund bisheriger Erfahrungen bin ich in diesem Punkt gegenüber Anlagen 1 und 4.2. äußerst skeptisch.
Drittens, die Gesellschaft sollte, entsprechend §2.2. der Satzung, der Pflege und Förderung deutscher Kultur „durch Veröffentlichungen – insbesondere durch eine kritische Gesamtausgabe des Werkes der Brüder Grimm … – dienen. Dieser Punkt ist ganz zentral. Auf die Veröffentlichungen des Brüder Grimm-Museums gehe ich nicht ein, denn sie gehören nicht hierher.
An erster Stelle steht die „Kasseler“ Ausgabe. Bis jetzt sind drei Bände erschienen. Einer konnte sich auf bedeutende, schon publizierte Vorarbeiten stützen; zwei wurden aus den handschriftlichen Quellen neu erarbeitet. Diese beiden sind in jeder Hinsicht vorzüglich. Kritische Ausgaben sind schwierige und langwierige Unternehmen, bei denen immer mit unvorhergesehenen Verzögerungen gerechnet werden muß. Dies dürfte unbestritten sein, und es gilt für die „Berliner“ wie für die „Kasseler“ Ausgabe. Dies aber vorausgesetzt, sind m.E. drei erschienene Bände wenig, zu wenig. Weitere Bände sind angekündigt, weitere wohl geplant. Die „Ankündigungspraxis“ der Gesellschaft wird in diesem und im HNA Forum mit Recht heftig kritisiert. In der Fachöffentlichkeit schadet sie dem Ansehen der Gesellschaft als wissenschaftlicher Institution enorm. Ich hoffe, daß auf der Mitgliederversammlung dem Vorstand und/oder den Bandbearbeitern folgende Fragen gestellt werden: Was ist der genaue Bearbeitungsstand der angekündigten Ausgaben, die jetzt schon mit ISBN-Nummern und Seitenzahlenangaben versehen, aber nicht erhältlich sind? Was ist der genaue Termin, der für ihre Veröffentlichung vorgesehen ist? Welche Bände sind gegenwärtig in Vorbereitung und wann ist mit ihrem Fertigstellen und Erscheinen zu rechnen? Welche Bände sind in der Planung? Ich hoffe, daß die Fragenden sich nicht mit vagen Angaben oder gar Andeutungen abspeisen lassen, sondern auf ganz konkreten, verbindlichen Antworten bestehen werden. Eine weitere Frage, die an Kandidaten aus beiden Wahlisten zu stellen ist, lautet: Wie soll es zukünftig weitergehen, und wie soll aus Ihrer Sicht das künftige Verhältnis zwischen der „Kasseler“ und der „Berliner“ Ausgabe aussehen bzw. gestaltet werden?
Die zweite hauptsächliche Veröffentlichung der Gesellschaft ist das Jahrbuch. Es erschien früher regelmäßig und zeichnete sich m. E. durch wertvolle wissenschaftliche Beiträge zum Leben und Werk der Brüder Grimm und eine sehr willkommene Grimmbibliographie aus. Es hat m.E. diesen Standard nicht halten können und erscheint inzwischen sehr verspätet. War das Jahrbuch X 2000 (2005 erschienen) noch ein stattlicher Band, faßt der letzterschienene Band XI-XII zwei Jahre 2001-2002 zusammen. Im Umfang und vor allem inhaltlich ist er aber alles andere als eine Doppelnummer. Ich bedauere diese Entwicklung sehr, und sie kann oder darf so nicht weitergehen. Ich teile nicht die diesbezügliche Meinung des Wissenschaftlichen Rats und lehne deshalb Punkt 3. seiner Resolution vom 4. März 2006 ab (Anlage 4). Ich unterstütze dagegen den folgenden Punkt im Schreiben der „Initiativgruppe“ (Anlage 2): „Die BGG soll die seit 2001/02 abgebrochene Tradition der Jahrbücher neu beleben und ihre Publikationstätigkeit in allen Medien auf die heutigen Anforderungen ausrichten“. Wobei ich anwesende Mitglieder bitte, wie bereits gesagt, Vertreter der „Initiativgruppe“ zu fragen, wie sie die „Kasseler“ Ausgabe und deren Zukunft sehen. Anlage 2 enthält leider keine konkreten Informationen hierzu, obwohl die „Kasseler“ Ausgabe für das wissenschaftliche Profil und Ansehen der Gesellschaft ganz maßgeblich ist.
Viertens, die Gesellschaft sollte sich als erstes darum bemühen, daß die unterschiedlichen Grimm-Bestände in Kassel möglichst bald inventarisiert, erschlossen und öffentlich zugänglich gemacht werden. Ich habe keine Informationen darüber, was genau zum Bestand der (Murhardschen) Bibliothek, der Gesellschaft oder des Museums gehört, oder über den Verbleib der alten Kasseler Grimm-Sammlung . Dies müßte m. E. geklärt werden. Unbedingt erforderlich ist auf jeden Fall, daß die Bestände – wo auch immer sie im einzelnen hingehören mögen – erschlossen werden. Als Forschungsstätte fällt Kassel im Vergleich zu Marburg (Moritz) oder Berlin (Breslau, Denecke/Teitge) sehr negativ auf, indem m.W. kein Verzeichnis oder Katalog öffentlich verfügbar ist. Dies ist eine unerlässliche Voraussetzung für sinnvolle wissenschaftliche Arbeit. Vielleicht könnte das Land Hessen, wenn es die Umsetzung seines Strategie-Konzepts „Hessen – Land der Brüder Grimm“ ernst nimmt, hierfür die notwendigen Mittel bereitstellen, so daß die Bestände in Kassel, ebenfalls in Bad Homburg, vielleicht auch Schlüchtern und anderswo, endlich erschlossen und verzeichnet werden. Am besten wäre dies als Online-Datenbank zu gestalten, die dann mit den zu digitalisierenden Katalogen und Verzeichnissen anderer Grimm-Stätten verlinkt werden könnte. Eine solche vernetzte Datenbank als virtuelle Zentralstelle für die Grimm-Forschung wäre ein anstrebenswertes und technisch realisierbares Ziel. Daß die Kasseler Bestände ohne Wenn und Aber allen Grimm-Forschern zugänglich gemacht werden, ist eine Selbstverständlichkeit. Daß dies jedoch in der jüngeren Vergangenheit xxxxx immer xxxx xxx xxxxxxx der Fall gewesen zu sein scheint, wie aus Forenbeiträgen hervorgeht, xxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxx. Hier sind m. E. auf der Mitgliederversammlung dem bisherigen Vorstand harte Fragen zu stellen, die eine Antwort verlangen. Hier tut eine neue, ganz andere Praxis bitter not.
Ich lasse es bei diesen vier Punkten bewenden. Von solchen wissenschaftlichen Gesichtspunkten würde ich meine Stimmabgabe bei den Personalwahlen am 6. Mai herleiten. Es dürfte mehr als deutlich sein, daß meiner Überzeugung nach nur ein Bruch mit der bisherigen Praxis und ein kooperativer Neuanfang die Brüder Grimm-Gesellschaft aus der jetzigen Misere und aus dem Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik führen wird, so daß sie sich auf ihre wissenschaftlichen Aufgaben konzentrieren kann. Hierfür bietet aus meiner Sicht die Information und der Wahlvorschlag der „Initiativgruppe“ viel überzeugender Gewähr, als die Beschlußanträge, Resolutionen und Wahlvorschläge des bisherigen Vorstands und des Wissenschaftlichen Rats. Ich unterstütze deshalb das skizzierte Programm und die Wahlvorschläge der „Initiativgruppe“. Auf die zur Wahl stehenden Einzelpersonen gehe ich mit einer Ausnahme nicht ein, denn dies gehört m. E. nicht hierher, sondern auf die Mitgliederversammlung. Die Ausnahme ist Herr Dieter Staubach, Berlin, der als Präsident vorgeschlagen worden ist (Anlage 3). Über Herrn Staubach, Berlin, habe ich trotz ernsthaften Bemühens überhaupt nichts ermitteln können? Offen gestanden, ist mir alles an diesem Wahlvorschlag rätselhaft, ja suspekt. Hoffentlich bringt die Mitgliederversammlung auch hier, wie sonst, die erforderliche Klärung, denn eine ähnlich mißglückte Versammlung wie die letzte im November 2005 kann sich die Gesellschaft m. E. auf keinen Fall leisten.
Dieser Beitrag wurde vom Forumsadministrator im Hinblick auf die 2008 / 2009 stattgefundene juristische Auseinandersetzung um Äußerungen zu Zugangsverhältnissen für die Wissenschaft im Grimm-Museum Kassel teilweise unlesbar gemacht.


Alan Kirkness, 24. April 2006

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Berliner Arbeitsstelle zu Kasseler Reformbemühungen
Benutzbarkeit der Kasseler Sammlungen
(Grimmforum, März 2006)

Mitglieder der Arbeitsstelle Grimm-Briefwechsel an der Humboldt-Universität zu Berlin haben sich kürzlich zu den Bemühungen um eine Reform der Brüder Grimm-Gesellschaft und des Brüder Grimm-Museums in Kassel geäußert:

Die Bemühungen um Reformen und eine Neuorganisation der Kasseler Grimm-Verhältnisse finden wir unbedingt unterstützenswert. Kassel ist eines der Zentren der Grimm-Überlieferung und der Grimm-Forschung. Es liegt im Interesse aller Interessierten, daß die große Kasseler Tradition auf einem hohen Niveau weitergeführt wird. Wir würden es sehr begrüßen, wenn die neuen Kasseler Grimm-Strukturen und ihre Vertreter ihre wichtige Rolle bei der gleichberechtigten und fairen Zusammenarbeit der mit den Brüdern Grimm befaßten Institutionen und Personen spielen würden. Eine der unseres Erachtens dafür nötigen Voraussetzungen ist es, daß die von der Brüder Grimm-Gesellschaft betreuten Buch- und Archivbestände so zugänglich gemacht werden, wie es bei anderen Sammlungen dieser Art selbstverständlich ist.✍

Grimm-Briefwechsel Berlin, 3. März 2006
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Zur Benutzbarkeit der Kasseler Grimm-Sammlungen während der letzten Jahre
Kassel besitzt mittlerweile zum zweiten Mal bedeutende Grimm-Sammlungen. Ein überwiegender und unersetzlicher Teil der alten Kasseler Grimm-Sammlung aber ist nach wie vor kriegsbedingt verschollen. Dies wiegt umso schwerer, als aus diesem verschollenen Teil der Sammlung nur ein verhältnismäßig geringer Anteil veröffentlicht wurde, das Gesammelte also nicht im historischen Gedächtnis verblieb, sondern sich zunächst an einem verborgenen Ort konzentrierte und dann mit diesem gelöscht wurde. Das Schicksal der ersten Kasseler Grimm-Sammlung läßt sich sinnbildhaft auf die in Kassel nach 1945 neu entstandenen Sammlungen beziehen. Der Besitz solcher Bestände verpflichtet dazu, alle Sorgfalt bei der sachgemäßen Verwahrung walten zu lassen, die Bestände der Erschließung und Publizierung zu öffnen und sich in erster Linie als treuhänderischer Sachwalter in der Überlieferungskette dieser Unika zu betrachten.

Unter den genannten Aspekten sind zu denjenigen Kasseler Grimm-Beständen, für die die Brüder Grimm-Gesellschaft Verantwortung trägt, kritische Anmerkungen angebracht. Klagen, daß der Zugang zu diesem Teil der Kasseler Sammlungen sich während der letzten 10 bis 15 Jahre sehr erschwert hat, kann man allenthalben hören, und es ist höchste Zeit, daß Abhilfe geschaffen wird. Bis in die erste Hälfte der 90er Jahre erfolgte der Zugang zu den im „Archiv“ des Brüder Grimm-Museums untergebrachten Beständen auf Grundlage eines Merkblatts, das sich sinnvoll an dem in Bibliotheken und Archiven üblichen Standard orientierte. Auf dieser Grundlage habe auch ich Anfang der 90er Jahre einige sehr ergebnisreiche Arbeitstage in den Räumen im Hochparterre der Murhard-Bibliothek verbracht, an die ich gern zurückdenke. Ab ca. 1993 / 94 wurde anreisenden Benutzern dann eine neue Benutzungsordnung vorgelegt, gemäß der pro Tag und Person nur noch 10 einzelne Stücke der Autographensammlung eingesehen werden konnten. Da die Autographen aus den Räumen der Murhard-Bibliothek an einen anderen Ort verbracht worden waren, sahen sich Benutzer zusätzlich mit logistischen, versicherungstechnischen und personellen Begründungen konfrontiert, die eine Benutzung der Bestände über die besagte Mengenbeschränkung hinaus komplizierten. Es kam auch zu Andeutungen, der Zugang könne noch weiter eingeschränkt oder untersagt werden, wenn wissenschaftliche Projekte unabhängig von denen der Kasseler Grimm-Gesellschaft weiterbetrieben und nicht nach deren Wünschen dort integriert würden. Meines Wissens ist es glücklicherweise allerdings nicht dahin gekommen, daß diese Andeutungen in die Praxis umgesetzt wurden.

Zu einer offiziellen Nachfrage wegen der eingetretenen Benutzungsbeschränkungen bei der Sadt Kassel, die wir nach dem Rat und Wunsch des Museumsleiters stellten, erhielten wir von diesem selbst am 15. September 1994 die briefliche Auskunft, daß wegen der schwierigen räumlichen und personellen Situation des Brüder Grimm-Museums verschiedene Sammlungsbestände hätten ausgelagert werden müssen, da keine Perspektive einer räumlichen Ausdehnung in der Murhard-Bibliothek bestehe. Dies bedeute, daß einige Sammlungsgruppen (Skulpturen, Gemälde, Autographen, Nachlässe, Sammlung Hausrat, Trivialzeugnisse, Teile der graphischen Sammlung u. a.) nur noch eingeschränkt benutzbar seien. „Von meinen (wenigen) Mitarbeitern, unter denen nur eine einzige Ganztagskraft ist, kann ich jedoch nicht erwarten, ständig Transporte zwischen nunmehr bereits drei verschiedenen Standorten zu organisieren.“

Diese Argumentation wirft Fragen auf. Ebenso — und zwar in sehr grundsätzlicher Weise — bereits die damalige Entscheidung zur Auslagerung der Sammlungsbestände, wobei zudem zu beachten wäre, daß ein erheblicher und besonders kostbarer Anteil davon ursprünglich von Bibliotheksseite zur Verfügung gestellt wurde und der Abtransport aus dem Bibliotheksgebäude auch aus diesem Grund fragwürdig war. Welche Priorität räumten die seinerzeit Verantwortlichen der sachgemäßen Unterbringung und der Zugänglichkeit der von ihnen betreuten Sammlungen ein? Wenn die getroffenen Entscheidungen sich rückschauend als der Benutzbarkeit abträglich herausstellen, was sind dann die Motive gewesen, gleichwohl so zu entscheiden? Ist es eine abwegige Vermutung, die Sammlungsbestände seien zum Spielball taktischer Interessen gemacht worden? Welche Strategie stand im einzelnen dahinter? Lassen diese und jene sich mit den Grundsätzen eines verantwortlichen Umgangs mit solchen Beständen, wie sie Standard in Bibliotheken, Museen, Archiven usw. sind, vereinbaren? Ist es nicht so, daß die Ausstrahlung Kassels als Grimm-Stadt sich erstens nach den Ausstellungen des Grimm-Museums und zweitens nach den einzigartigen Grimm-Beständen bemißt (die Reihe läßt sich fortsetzen)? Sind die Grimm-Bestände derzeit ihrem Potential entsprechend wirksam, oder werden sie trotz (und dann gewissermaßen auch wegen) der in den letzten Jahren durch neue Erwerbungen vorgenommenen Ausdehnung allmählich zum bloßen Mythos, weil es nicht — oder zumindest einem Teil der daran interessierten Wissenschaftler nicht — möglich ist zu ermitteln, welche Quellen zu einzelnen Forschungsgebieten sich tatsächlich in den Beständen befinden? Sind die Sammlungen überhaupt zur Zeit so verwahrt, daß sich der Zustand und die Vollständigkeit jederzeit überprüfen lassen? Welche Schritte müßten gegangen werden, damit ein normaler, den üblichen Standards entsprechender Archivbetrieb gewährleistet werden kann? Ist das Museum fachlich und personell der richtige Ort dafür? Sollte ein anderer Ort gewählt werden, der über die erforderlichen Kompetenzen und Kapazitäten der archivischen und bibliothekarischen Arbeit bereits verfügt, nachdem mehr als zehn Jahre in mehreren Etappen eine Verschlechterung vorgegangen ist? Oder sind die Grimm-Bestände es der Stadt Kassel und der Brüder Grimm-Gesellschaft wert, für sie eine eigenständige, funktionierende Institution zu schaffen? Wie kann dann gleichwohl das Verhältnis zur Bibliothek gestaltet werden, aus deren Beständen sich so immens vieles in den fraglichen Sammlungen befindet, und wie das zum Museum? Wann kann die Grimm-Forschung damit rechnen, daß die im Verantwortungsbereich der Brüder Grimm-Gesellschaft befindlichen Bestände zu regelmäßigen Öffnungszeiten zuverlässig und in ihrer Gesamtheit so zugänglich gemacht werden, wie es andere ähnliche Institutionen (auch in Kassel) selbstverständlich leisten?

Berthold Friemel, 7. März 2006

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Initiativgruppe zur Reform der Grimm-Gesellschaft Kassel,
Zwischenbilanz zu Kassel
(Grimmforum, Februar 2006)

Zwischenbilanz zu Kassel

Das Wochenende bietet etwas Zeit, um Eindrücke zu sammeln, was sich bei dem interessanten Grimm-Kassel-Thema im Lauf von acht bis zehn Tagen entwickelt hat. Am wichtigsten scheint mir, dass es jetzt überregional diskutiert wird, was seiner nationalen und auch internationalen Relevanz entspricht. Über kurz oder lang zeigt sich das natürlicherweise auch in den Massenmedien. Denn es geht um das Brüder Grimm-Museum überhaupt, dem Ruf und den in Kassel vorhandenen Beständen nach. Dass es beidem zur Zeit nicht gerecht wird, ist Teil des Problems, das jetzt diskutiert wird.

In Museums- wie Wissenschaftskreisen steht das Kasseler Grimm-Museum ohnehin im Zwielicht, vorsichtig gesagt. Museumsleute schütteln die Köpfe über das Ausstellungsgebaren, beispielsweise weil Reproduktionen aus fremden Beständen einfach Schildchen mit Grimm-Museums-Signaturen bekommen, als handele es sich um eigenen Besitz; und dies in einem Haus, das so weitgehend zu xxxxxxxxxx sucht, dass andere die dort vorhandenen Bestände auch nutzen können (striktes Fotoverbot im Museum/ Ablehnung, Autografen und ähnliches als Kopien oder Fotos für fremde Projekte herauszugeben). Von Wissenschaftlern werden mehr oder weniger offen mafiaartige Verhältnisse um das Grimm-Museum kritisiert (wie erzählt wird, gehörte zum Kasseler Repertoire beispielsweise, Forscher/Innen, die wegen eines Grimmprojekts mit den Kasseler Grimm-Beständen arbeiteten, in das Direktorzimmer zu bitten und ihnen mitzuteilen, entweder müssten sie das Projekt bei dem Kasseler Museumsdirektor zu dessen Bedingungen ansiedeln, oder er würde ein analoges Projekt in Kassel selbst installieren).

Im Grimmforum entstand die stolze Liste von mittlerweile sieben meist sehr umfangreichen Scheinveröffentlichungen, die garnicht erschienen sind, vom Kasseler Grimm-Museum bzw. dessen Direktor aber (meist mit Angaben über Bestellmöglichkeiten, Anzahl der Seiten und Abbildungen) bibliografisch bekanntgemacht wurden, siehe den entsprechenden Beitrag.

Auch die lokale Debatte in Kassel geht weiter, wie sich am Leserforum der „Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen“ ablesen lässt, http://forum.hna.de/forum/viewtopic.php?id=800&p=4. Dabei werden vor allem die örtlichen Verhältnisse in Kassel diskutiert, etwa eine fragwürdige Besuchsstatistik, die während der Woche in dem als Grimm-Fachblatt schon bekannten „Extra-Tip“ erschien, oder lokalpolitische Sichtweisen, da in Kassel eine Kommunalwahl bevorsteht und den verantwortlichen Politikern der beiden großen Parteien nachgesagt wird, sie versuchten, das Grimm-Thema nicht als den Skandal erscheinen zu lassen, der es eigentlich ist, weil beide Parteien für die Missstände Verantwortung tragen und eine zu engagierte Diskussion wohl beiden schaden dürfte.

Derjenige, an dem sich die Kritik während der letzten Wochen vor allem festmacht (seit es in der Kasseler Grimm-Gesellschaft durch einen zum Scheitern gebrachten Kompromiss zu einer Spaltung des bisherigen Vorstands kam), zieht es vor, die Debatten auszusitzen und sich möglichst wenig zu äussern. Die „Frankfurter Rundschau“ zitierte am Mittwoch eine Pressemitteilung von und ein Gespräch mit Dr. Lauer, noch? Geschäftsführer der Grimm-Gesellschaft und Leiter des Grimm-Museums Kassel. Immerhin dementiert er hier, nach anderthalb Wochen, seine angebliche Entdeckerrolle bezüglich aufgefundener Grimm-Handexemplare: „Ich beanspruche nicht für mich, die Bücher entdeckt zu haben“. Der Frage, wie die Veröffentlichung im Kasseler „Extra-Tip“ mit der Entdeckungsbehauptung zustandekam, wie allen anderen kritischen Fragen weicht der Museumschef nach wie vor mittels vornehmer Zurückhaltung aus (von den noch gar nicht öffentlich aufgeworfenen weiteren Themen und den dazu zu stellenden Fragen ganz abgesehen). Von einem „Streit, den Dr. Bernhard Lauer, Geschäftsführer der Brüder-Grimm-Gesellschaft und Direktor des Grimm-Museums in Kassel als eine Schmutzkampagne einstuft, die er nicht kommentieren will“, schrieb am 3. 2. die „Hessisch-Niedersächsische Allgemeine“; die „Provokationen“, die gegen ihn im Umlauf seien, wolle er nicht kommentieren, gab den Museumsdirektor am 8. 2. die „Frankfurter Rundschau“ wieder, mit dem wörtlichen Zitat: „Absurdes Theater gehört auf die Bühne. In der Wissenschaft ist kein Platz dafür“. Die zum FR-Artikel gehörende Abbildung zeigt Lauers Portrait in einem Arrangement von Grimm-Büsten, dreimal Wilhelm und zweimal Jacob sind zu sehen, wobei Lauers Kopf in der Bildhöhe ungefähr da anfängt, wo die oberen Haarlocken der Brüder Grimm sich befinden, Lauer durch seine große Brille also souverän über die Brüder hinwegblickt – während nochmals beide Brüder im Profil seitwärts von einem Poster auf Augenhöhe zu Lauer hinüberschauen. Das Zitat Lauers über „absurdes Theater“, mit dem der Artikel schließt, und die Inszenierung auf dem Bild sind in der Zusammenschau in höchstem Maß kennzeichnend für das Auftreten Lauers im bisherigen Verlauf dieser Auseinandersetzung.

Es wäre zu wünschen, dass in der (wohl noch am Anfang befindlichen) Diskussion über Kasseler Grimm-Angelegenheiten auch Alternativen entwickelt werden, wobei die Liste der aufzuarbeitenden Missstände offenbar noch nicht zu Ende ist.

Dieser Beitrag wurde vom Forumsadministrator im Hinblick auf die 2008 / 2009 stattgefundene juristische Auseinandersetzung um Äußerungen zu Zugangsverhältnissen für die Wissenschaft im Grimm-Museum Kassel teilweise unlesbar gemacht.

milatosSO36, 11. Februar 2006
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„MilatosSO36“ ist für die präzise und faire Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse zu danken. Ich fühle mich in meiner ursprünglichen Kritik an dem Grimm-Museum („Ein weiteres Gräberfeld in Kassel“) bestätigt und freue mich, wenigstens aus Berlin ein zustimmendes Signal zu erhalten. Leider halten sich die zuständigen Kasseler Kulturpolitiker nach wie vor bedeckt ! Wer das Forum der HNA konsultiert, wird feststellen, daß die durchsichtige Taktik des Stillschweigens vor der Kommunalwahl beim Bürger nicht mehr verfängt. Ein Blick auf die pathologischen politischen Verhältnisse erscheint mehr als notwendig. Die Partei des OB Hilgen (SPD) hofft „im Schlafwagen“ wieder die seit Jahren verlorengegangene Mehrheit wiederzuerlangen und hat Stillschweigen in allen strittigen Politikfeldern verordnet. Im konkreten Fall des Grimm-Museums kommt noch hinzu, daß sich der kundige Bürger fragt, warum eine windige Figur wie Dr.Lauer Jahre lang den Verantwortlichen eine Nase drehen konnte. Zur politischen Verantwortlichkeit der Berufung Lauers ist zu bemerken, daß er seine Postion dem damaligen OB Hans Eichel verdankt, der z.Zt. noch MdB des Wahlkreises ist. Lauer hat mit Geschick seinen Einfluß ausgebaut : in der Saufszene des Landkreises Kassels z.B. mit Hilfe des Landrates Schlitzberger und des Betreibers einer bekannten Brauerei, dessen Grimmkompetenz in der Verwandtschaft mit der Dorothea Viehmann begründet ist. Ein solcher Einfluß hat Folgen : Im Kulturamt sind seit Jahren die Eskapaden des Dr.Lauer bekannt – ohne daß es Abmahnungen oder auch nur vorsichtige Kritik gegeben hätte ! Zudem darf man nicht unterschätzen, welche Rolle die „Marke Grimm“ während der Kulturhauptstadtbewerbung gespielt hat. Zwei Jahre nach diesem Ereignis lesen sich die Bewerbungsunterlagen wie ein feinsinniges Zeugnis von Realsatire – Tenor : Posemuckel will Metropole spielen. Und unser Dr.Felix Krull durfte mundhurig mitspielen -nicht zuletzt hat der Expastor und jetzige Kulturdezernent Junge (CDU) davon politisch profitiert. Aber im Ernst : man stelle sich vor, Kassel wäre Kulturhauptstadt geworden und Dr. Lauer Zugriff auf Millionen von öffentlichen Mitteln eröffnet worden – die Quantität wäre wohl kaum in Qualität umgeschlagen. Ich stimme „milatos“ zu, daß der Fall mittlerweile eine Sache für die überregionale Presse ist. In ihm sind fatale Tendenzen unseres Kulturlebens aufweisbar, die über eine „Provinzposse Kassel“ weit hinausgehen. Außerdem haben Kasseler Politik und Presse nicht den Willen und die Kraft , die Probleme aus eigener Anstrengung heraus zu lösen. Was „milatos“ über das Verhalten Dr.Lauers gegenüber auswärtigen Forschern mitteilt ist ebenso skandalös wie es ins Psychogramm des Museumsdirektors paßt. Zu dem von Dr.Lauer bemühten „Absurden Theater“ ist zu sagen, daß Kassel seit der Entdeckung des sporadischen Aufenthalts Samuel Becketts sich als „Beckett – Stadt“ (sic !) sieht – ob Dr.Lauer schon ahnt, daß er sich im „Endspiel“ befindet ?


Rudolf Theisen, 12. Februar 2006

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„Initiativgruppe will Erneuerung“
Wie die „Hessisch-Niedersächsische Allgemeine“ in ihrer Online-Ausgabe unter http://www.hna.de/hessen_kassel/00Initiativgruppe_will_Erneuerung.html berichtet, hat sich in der Brüder Grimm-Gesellschaft Kassel eine Initiativgruppe gebildet, die auf einen neuen Vorstand und eine Reform der Gesellschaft hinarbeitet. In dem Artikel von Dirk Schwarze heisst es:

Mit der Wahl eines neuen Vorstandes soll am 6. Mai die seit November schwelende Krise der Brüder-Grimm-Gesellschaft beendet werden. Als neuer Vorsitzender wird, wie berichtet, Prof. Hans Brinckmann, der frühere Präsident der Universität Kassel, vorgeschlagen. Er hat sich auf Bitten von Oberbürgermeister Bertram Hilgen zur Kandidatur bereit erklärt und hat mit einer Initiativgruppe die Bemühungen zur Erneuerung der Gesellschaft eingeleitet.

In einem Brief an die Mitglieder der Gesellschaft werden die Konflikte, die zum Rücktritt mehrerer Vorstands- und Beiratsmitglieder führten, beschrieben. Der Initiativgruppe gehören unter anderem die Germanisten Prof. Claudia Brinker-von der Heyde, Holger Ehrhardt, Prof. Andreas Gardt (Kassel) und Prof. Hartmut Kugler an, die in verschiedenen Funktionen innerhalb der Grimm-Gesellschaft tätig waren.

Als eine der Hauptursachen für die Krise wird die „seit Jahren zunehmend schwierige Kooperation mit Dr. Bernhard Lauer“ genannt. Lauer habe, so lautet der Vorwurf, „seine Stellung als Geschäftsführer der Brüder-Grimm-Gesellschaft und als Leiter des Brüder-Grimm-Museums genutzt, den Zugang zu den Kasseler Grimm-Beständen von seiner individuellen und willkürlich erteilten Zustimmung“ abhängig zu machen. Die zum Teil heftigen Spannungen hätten die „inhaltliche Arbeit massiv“ xxxxxxxxx. So seien mehrere Kooperationen abgebrochen worden und neue Initiativen zum Thema Grimm außerhalb Kassels entstanden. …

Daher wird vorgeschlagen, die Leitung des Grimm-Museums und die Geschäftsführung der Brüder-Grimm-Gesellschaft zu trennen. … Die langfristigen Ziele sind: Zusammenarbeit der Brüder-Grimm-Gesellschaft mit anderen Grimm-Stätten und -Vereinigungen, intensivere Identifizierung mit der Region, Förderung des Museums, Profilierung als Grimm-Forschungsstelle und Gründung einer Akademie sowie Umstrukturierung aufgrund einer Satzungsänderung.

Zum offenen Konflikt war es im vorigen Jahr gekommen, nachdem Lauer als Museumsdirektor und Geschäftsführer der Gesellschaft angekündigt hatte, zusätzlich für das Amt des Vorsitzenden zu kandidieren und somit den bis dahin amtierenden Präsidenten Wolfgang Windfuhr abzulösen. Nachdem der Versuch gescheitert war, auf der Grundlage eines Kompromisses die Satzung zu ändern und den Vorstand unter der Führung von Windfuhr zu erweitern, waren Windfuhr und andere zurückgetreten. So bilden jetzt Dr. Lauer als Geschäftsführer und Schatzmeister Tampe den Restvorstand, den die beiden um Dr. Grothe aus dem Wissenschaftlichen Rat ergänzten.

(Zitat: Dirk Schwarze, Hessisch-Niedersächsische Allgemeine vom 16. 2. 2006)

Dieser Beitrag wurde vom Forumsadministrator im Hinblick auf die 2008 / 2009 stattgefundene juristische Auseinandersetzung um Äußerungen zu Zugangsverhältnissen für die Wissenschaft im Grimm-Museum Kassel teilweise unlesbar gemacht.


milatosSO36, 17. Februar 2006